Die Schwellenwerteverordnung, aus der sich insbesondere die Direktvergabegrenze von EUR 100.000 ergibt, soll nach aktuell vorliegenden Informationen nicht verlängert werden. Was das für AuftraggeberInnen bedeutet, hat unser Partner FSM Rechtsanwälte GmbH in folgendem Beitrag zusammengefasst.

Hintergrund

Die Schwellenwerteverordnung setzt im Vergleich zu den gesetzlichen Schwellenwerten gemäß BVergG höhere Schwellenwerte für den geschätzten Auftragswert fest und wurde seit über einem Jahrzehnt regelmäßig für ein oder zwei Jahre verlängert.

Für das kommende Jahr soll die Verordnung nach den derzeit vorliegenden Informationen allerdings – und das in einer der schwersten Wirtschaftskrisen – nicht verlängert werden und würde daher am 31.12.2022 voraussichtlich außer Kraft treten.

Offen bleibt allerdings, ob nicht dennoch kurzfristig eine neue Schwellenwerteverordnung kommt. Das Justizministerium prüft noch ressortintern.

Das Wichtigste auf einen Blick

Was ändert sich im Detail für die AuftraggeberInnen?

Für alle ab dem 01.01.2023 eingeleiteten Vergabeverfahren gelten die im BVergG 2018 geregelten gesetzlichen Schwellenwerte:

Grafik Quelle & Copyright: FSM Rechtsanwälte GmbH

Für alle, die noch schnell handeln müssen

Für Vergabeverfahren, die noch bis 31.12.2022 eingeleitet werden (zB durch Bekanntmachung oder andere nach außen tretende Handlungen der AuftraggeberInnen), gelten noch die höheren Schwellenwerte.

Tipp: Wenn Sie noch nicht alle Details für eine Direktvergabe geklärt haben, führen Sie diese in zwei Stufen durch. In der ersten Stufe beschreiben Sie den Auftragsgegenstand allgemein und holen sich (vor dem 31.12.2022) Interessensbekundungen der potenziellen AnbieterInnen ein. Damit leiten Sie bereits die Direktvergabe ein, am besten aber im Schreiben nochmals ausdrücklich darauf hinweisen, dass eine Direktvergabe eingeleitet wird. In der zweiten Stufe versenden Sie an jene BieterInnen, die ihr Interesse bekundet haben, die Ausschreibungsunterlagen.

Auftraggeber legen den Leistungsgegenstand regelmäßig über Mindestanforderungen fest und führen Beispiele an, wie die Mindestanforderung erfüllt werden kann. Was passiert, wenn die beispielhaft angeführte Funktion die Mindestanforderung in Wahrheit verfehlt?

Ausgangssachverhalt

Die Auftraggeberin führte ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip zur Beschaffung von Beatmungsgeräten durch. Das Leistungsverzeichnis sah u.a. die Mindestanforderung „proportionale Druckunterstützung“ vor. In einer Fragebeantwortung ergänzte die Auftraggeberin die Ausschreibung um das Erfordernis der Vorlage einer detaillierten funktionalen Beschreibung der Funktionsweise der proportionalen Druckunterstützung. In einer weiteren Fragebeantwortung erklärte die Auftraggeberin, dass die proportionale Druckunterstützung u.a. bei Vorliegen der Funktion „IntelliSync+“ als erfüllt gilt.

Die Antragstellerin legte ein Angebot und bot Beatmungsgeräte mit der Funktion IntelliSync+ an. Daraufhin forderte die Auftraggeberin sie zu einer detaillierten Aufklärung hinsichtlich der Erfüllung der Mindestanforderung proportionale Druckunterstützung auf. Nach Aufklärung durch die Antragstellerin und Einholung eines Privatgutachtens durch die Auftraggeberin schied Letztere das Angebot aus. Sie begründete dies mit der Nichterfüllung der Mindestanforderung proportionale Druckunterstützung an, obwohl die Funktion IntelliSync+ vorlag.

Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des VwGH

Das von der Antragstellerin angerufene VwG bestätigte die Ausscheidensentscheidung der Auftraggeberin: Zwar hätte ein Widerspruch zwischen den Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen bestanden, weil einerseits konkret die Anforderungen an die proportionale Druckunterstützung festgelegt gewesen wären und andererseits in den Ausschreibungsunterlagen die Funktion IntelliSync+ beispielhaft als geeigneter Nachweis zum Vorliegen dieser Mindestanforderung genannt gewesen wären. Dieser Widerspruch hätte die Auftraggeberin allerdings nicht daran gehindert, das tatsächliche Vorliegen der Mindestanforderung zu prüfen (auch – so das VwG – wenn es zweckmäßig gewesen wäre, vor Angabe der Funktion IntelliSync+ als Beispiel einer geeigneten Funktion eine fundierte Prüfung vorzunehmen).

Der VwGH hob diese Entscheidung des VwG hingegen auf. In seiner Begründung führte er aus, dass dem VwG bei der Auslegung der Ausschreibungsbestimmungen eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Denn die Auftraggeberin hatte in der Fragebeantwortung ausdrücklich festgelegt, dass die Mindestanforderung proportionale Druckunterstützung bei Nachweis der Funktion IntelliSync+ als erfüllt gelte.

Fazit

Auftraggeber müssen bei der Festlegung von Mindestanforderungen und der Nennung beispielhafter Funktionen zum Nachweis eben dieser Kriterien besonders Acht geben. Erfüllt das angebotene Produkt bei näherer Betrachtung die Mindestanforderung nicht, weil die von der Auftraggeberin beispielhaft genannte Funktion in Wahrheit nicht zum Nachweis dieses Kriteriums geeignet ist, geht dieser Widerspruch zu ihren Lasten. Sie darf in einem solchen Fall das betroffene Angebot nicht wegen Nichterfüllung der Mindestanforderungen und Widerspruch zu den Ausschreibungsunterlagen ausscheiden.

Ist die Teilnahme für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) an einem Vergabeverfahren eigentlich möglich? Was sind hier besondere Hürden? Dieser Blogeintrag geht insbesondere auf die Schwierigkeiten von KMU bei der Teilnahme an Vergabeverfahren (auch europaweit) ein und erwähnt die nationalen Maßnahmen und die Maßnahmen der EU diesbezüglich.

Im Sinne des "Erfinders"

Elżbieta Bieńkowska, EU-Kommissarin für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU, erklärte im April 2016: "Die Vorschriften zur öffentlichen Auftragsvergabe sollen sicherstellen, dass Steuergelder, die in den öffentlichen Kauf von Waren, Arbeiten und Dienstleistungen fließen, gut ausgegeben werden. Die neuen Regeln werden öffentliche Ausschreibungsverfahren weiter vereinfachen und sie besonders zu Gunsten von KMU flexibler machen."

Attraktive Aufträge im öffentlichen Bereich

Für eine stetig wachsende Zahl von kleinen und mittleren Unternehmen in Österreich ist die öffentliche Hand ein attraktiver und verlässlicher Auftraggeber. Große Unternehmen können aber oft aufgrund von mehr Ressourcen oder mehr Kapital einen Wettbewerbsvorteil gegenüber KMU haben. Für kleine und mittlere Unternehmen ist häufig aufgrund von mangelndem Wissen in Bezug auf Vergabeverfahren und Berührungsängsten, die Teilnahme an so einem Verfahren nur schwer vorstellbar.
Durch neue Regelungen in der EU und auch national soll der Zugang zu Vergabeverfahren für KMU erleichtert beziehungsweise attraktiver gemacht werden.

Im Bundesvergabegesetz 2018 findet sich bei den Grundsätzen des Vergabeverfahrens eine Bestimmung zu Gunsten von KMU. Demgemäß soll die Konzeption und Durchführung eines Vergabeverfahrens nach Möglichkeit so erfolgen, dass kleine und mittlere Unternehmen am Vergabeverfahren teilnehmen können. Eine weitere Bestimmung im Gesetz besagt, dass nach Möglichkeit insbesondere kleine und mittlere Unternehmer am Vergabeverfahren zu beteiligen sind.

Die eVergabe als Chance für KMUs

Auch die seit 18. Oktober 2018 verpflichtende eVergabe kann ein Vorteil für KMU sein. Sie bringt neben gesteigerter Effizienz auch Kosten und Zeitersparnis mit sich, die vor allem für kleine und mittlere Unternehmen ein großer Vorteil ist.
Viele Ratgeber und Plattformen enthalten wertvolle Tipps für kleine und mittlere Unternehmen und bieten auch individuelle Services für diese an. Die umfassende Auseinandersetzung mit dem Thema Vergabe ist für KMU wichtig, um die Vorteile für das eigene Unternehmen zu entdecken und fit für den Wettbewerb zu werden.

Bekanntlich ist die Weitergabe des gesamten Auftrags an Subunternehmer grundsätzlich un-zulässig. Wie sieht es aber aus, wenn ein Bieter „nur“ 98 % des Auftrags an Subunternehmer weitergeben möchte? Mit dieser Frage befasste sich kürzlich der VwGH und kam zu einem klaren Ergebnis.

Rechtlicher Kontext

Bieter dürfen grundsätzlich Teile der Auftragsleistungen an Subunternehmer weitergeben. Eine Weitergabe des gesamten Auftrags ist allerdings, außer bei Kaufverträgen und bei Weitergaben an verbundene Unternehmen, verboten (§ 98 Abs 1 BVergG 2018). Zur Auslegung der Wortfolge „gesamter Auftrag“ gab es bisher keine höchstgerichtliche Judikatur.

Ausgangssachverhalt und Entscheidung des LVWG

Das Land Vorarlberg leitete ein offenes Verfahren zur Erbringung von Winterdienstleistungen auf Straßen (Räumen und Streuen) ein. Eine Bieterin gab in ihrem Angebot an, sich einer Subunternehmerin zu bedienen. Der Wert dieser Leistungen wurde im Angebot mit 98 % der Gesamtleistung angegeben. Die Bieterin selbst beabsichtigte, lediglich die Beistellung und Wartung der Geräte (Schneepflug und Streugerät) für einen von mehreren LKWs sowie Organisations- und Dispositionsaufgaben selbst zu erbringen.

Die Auftraggeberin beurteilte diese Angaben als unzulässige Weitergabe des gesamten Auftrags und schied das Angebot der Bieterin aus. Das LVwG Vorarlberg bestätigte die Ausscheidensentscheidung und erkannte ebenfalls eine unzulässige Weitergabe des gesamten Auftrags. Für die Beurteilung stellte es eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an und kam zu dem Ergebnis, dass die von der Bieterin selbst erbrachten Leistungen kaum ins Gewicht fallen würden und von untergeordneter Bedeutung seien.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH prüfte die gesetzlichen Vorgaben und kam zu einem klaren Ergebnis: „Weder der Wortlaut des § 83 Abs. 1 BVergG 2006 noch die […] Gesetzesmaterialien [liefern] Anhaltspunkte dafür […], dass eine Weitergabe des gesamten Auftrages bereits dann vorliegt, wenn die wirtschaftlich weit überwiegenden Leistungen (sowohl ihre Bedeutung für den Auftragsgegenstand als auch ihren wirtschaftlichen Anteil am Gesamtauftragswert betreffend) weitergegeben werden sollen.“

In quantitativer Hinsicht bedeutet die Weitergabe des „gesamten Auftrags“ somit die Weitergabe von 100 % des Auftrags an Subunternehmer.

Auf qualitative Aspekte kommt es grundsätzlich nicht an, es sind somit auch Leistungen von untergeordneter Bedeutung in die Prozentberechnung einzubeziehen. Der VwGH macht von diesem Grundsatz aber eine wesentliche Ausnahme: Bloße Hilfstätigkeiten der Bieterin, mit denen die Subunternehmerin nur in die Lage versetzt wird, die Räumungs- und Streuleistungen zu erbringen, sind nicht zugunsten der Bieterin zu berücksichtigen: „Wenn nämlich für die Einstufung eines Dritten als Subunternehmer darauf abzustellen ist, ob dieser einen Leistungsteil selbst ausführt oder ob er bloß als Zulieferer bzw. Hilfsunternehmer (dessen Leistung darin besteht, den Auftragnehmer in die Lage zu versetzen, einen Leistungsteil des Auftrages erst erbringen zu können) auftritt, dann kann umgekehrt die Erbringung von bloßen Zuliefer- oder Hilfstätigkeiten durch den Auftragnehmer für sich allein dazu führen, dass eine Weitergabe des gesamten Auftrages vorliegt.“

Zur Frage, wann bloße Hilfsleistungen vorliegen, verweist der VwGH auf seine bisherige Judikatur (VwGH 22.3.2019, Ro 2017/04/0022): Im Gegensatz zur selbst ausgeführten Leistung, bei der Teile des Auftrages – im Sinn der Herstellung eines werkvertraglichen Teilerfolgs – selbst hergestellt oder unter der persönlichen Verantwortung des Bieters ausgeführt werden, versetzt ein Unternehmen den Auftragnehmer (lediglich) in die Lage, den Auftrag zu erbringen. Im konkreten Fall waren die geringfügigen Leistungen der Bieterin als Teilleistungen im Leistungsverzeichnis vorhanden und auszupreisen. Daraus schloss der Gerichtshof, dass es sich nicht um bloße Hilfstätigkeiten handle.

Fazit

Die Weitergabe von 98 % des Auftrags an Subunternehmer:innen verstößt nicht gegen das Verbot der Weitergabe des gesamten Auftrags an Subunternehmer:innen gemäß § 98 Abs 1 BVergG 2018. Erbringen Bieter allerdings bloße Hilfstätigkeiten oder sind lediglich Zulieferer, werden diese Leistungen bei der Prozentberechnung nicht zugunsten der Bieter berücksichtigt.

Anderes gilt nur, wenn Auftraggeber in der Ausschreibung eine dahingehende Festlegung treffen. Allfällige Einschränkungen des Rückgriffs auf Subunternehmer in der Ausschreibung sind jedoch nur im Einzelfall zulässig, sofern dies sachlich gerechtfertigt und angemessen ist. Für nähere Details dazu empfehlen wir die Teilnahme am Vergabequiz in dieser Ausgabe des Update Vergabe.

Die amerikanische Vergabekontrollbehörde GOA hat entschieden: Das Vorgehen der NASA, den Auftrag nur an ein Raumfahrtunternehmen, nämlich an SpaceX von Elon Musk, zu vergeben, war vergaberechtskonform. Der Nachprüfungsantrag von Jeff Bezos wurde abgewiesen. Damit gibt sich Jeff Bezos aber nicht zufrieden und klagt weiter.

Rechtlicher Kontext

Das Raumfahrtunternehmen Blue Origin von Jeff Bezos brachte einen Nachprüfungsantrag gegen die NASA ein, weil diese den Auftrag zum Bau einer Mondrakete nur an SpaceX vergeben wollte. (Siehe dazu den früheren Bericht)

Während dem anhängigen Verfahren, machte Jeff Bezos – erfolglos – der NASA ein Angebot über die Übernahme von weiteren 2 Milliarden Dollar, um bei dem Auftrag weiter berücksichtigt zu werden. Die NASA reagierte darauf nicht.

Nun entschied das GOA und wies den Nachprüfungsantrag von Blue Origin ab. Die NASA habe nicht gegen die Ausschreibungsbedingungen verstoßen und „nicht unsachgemäß gehandelt“, in dem sie den Auftrag nur an ein Unternehmen, nämlich den Billigstbieter, vergeben habe.

Jeff Bezos geht nun weiter: Er hat eine weitere Klage gegen die NASA eingebracht, weil es „grundlegende Probleme“ mit dem Vertrag gebe und dieser „unfair“ sei. Jeff Bezos ist nach wie vor der Meinung, dass ein Unternehmen allein den Auftrag nicht stemmen könne und es jedenfalls zwei Unternehmer für die erfolgreiche Mondmission im Jahr 2024 benötige.

Die NASA hat nun – mit Rückendeckung der Entscheidung des GOA – bis 12. Oktober Zeit, auf die Klage zu antworten. SpaceX hat sich zur Klage noch nicht geäußert.

Es bleibt also spannend, welcher Milliardär das Wettrennen zum Mond gewinnen wird. Wir halten Sie – wie gewohnt – am Laufenden!

EuGH: Bei der Vergabe einer Rahmenvereinbarung sind sowohl das geschätzte als auch das maximale Auftragsvolumen anzugeben. Mit Erreichen des maximalen Volumens endet die Rahmenvereinbarung. Das Urteil schränkt die Flexibilität von Rahmenvereinbarungen ein und verlangt Anpassungen in der Vergabepraxis. Es bringt aber auch Rechtssicherheit.

Rechtlicher Kontext

Rahmenvereinbarungen geben Auftraggebern viel Flexibilität für regelmäßig wiederkehrende, gleichartige Einzelbeschaffungen. Doch wieviel Freiheit dürfen sich Auftraggeber bei der Vergabe einer Rahmenvereinbarung einräumen? Mit seinem Urteil vom 19.12.2018, C-216/17, Antitrust und Coopservice, verpflichtete der EuGH Auftraggeber zur Angabe einer Höchstmenge und konstatierte den Verlust der Wirkung einer Rahmenvereinbarung bei Erreichen dieser Menge. Die Entscheidung war noch zur alten VergabeRL aus 2004 ergangen.

Ausgangssachverhalt

Zwei dänische Regionen führten ein offenes Verfahren zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung über den Erwerb von Ausrüstung für künstliche Ernährung durch. In der Bekanntmachung waren weder eine Schätzmenge oder ein Schätzwert noch eine Höchstmenge oder ein Höchstwert angegeben.

Gegen die Entscheidung, Nutricia den Zuschlag zu erteilen, legte Simonsen & Weel Beschwerde beim dänischen Gericht ein, das den Fall dem EuGH vorlegte. Gegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens war die Frage, ob es gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz verstoße, wenn Auftraggeber nicht die geschätzte Menge oder den geschätzten Wert angeben. Das dänische Gericht wollte ferner wissen, ob Auftraggeber auch bezogen auf die neue VergabeRL 2014/24/EU verpflichtet seien, eine Höchstmenge anzugeben, nachdem die Entscheidung Antitrust und Coopservice noch die alte Rechtslage betroffen hatte.

Entscheidung

Der EuGH trifft in seiner Entscheidung einige Präzisierungen zu den Anforderungen an Rahmenvereinbarungen:

  1. Sowohl die Angabe einer Höchstmenge und/oder eines Höchstwerts als auch die Angabe einer Schätzmenge und/oder eines Schätzwerts sind verpflichtend.
  2. Die Höchstmenge kann (muss aber nicht) der in der Bekanntmachung angegebene geschätzte Gesamtauftragswert sein.
  3. Die Höchstmenge und/oder der Höchstwert und die Schätzmenge und/oder der Schätzwert sind entweder in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen anzugeben.
  4. Die Höchstmenge/der Höchstwert und die Schätzmenge und/oder der Schätzwert sind als Gesamtmenge oder Gesamtwert anzugeben. Bloße Teilangaben reichen nicht aus. Die Aufnahme zusätzlicher Anforderungen und eine Aufgliederung sind hingegen möglich. Ebenso möglich, aber nicht zwingend, ist die getrennte Angabe der Menge/des Wertes für jeden Auftraggeber.
  5. Mit Erreichen des maximalen Volumens endet die Rahmenvereinbarung.

Hinweis

Der EuGH verweist in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit „nicht substanzieller Änderungen“ einer Rahmenvereinbarung. Dies deutet darauf hin, dass im Einzelfall auch die in einer Rahmenvereinbarung angegebene Höchstmenge (in nicht substantiellem Ausmaß) überschritten werden darf. Diesfalls sollte die Höchstmenge jedenfalls rechtzeitig und explizit angepasst werden, um ein Auslaufen der Rahmenvereinbarung zu verhindern.

Bieterabsprachen führen laut Studien dazu, dass Angebotspreise um bis zu 60% über dem Marktpreis liegen. Diesen wirksam entgegenzutreten, stellt öffentliche Auftraggeber seit jeher vor große Herausforderungen. Die Europäische Kommission veröffentlichte nun als Hilfestellung eine Bekanntmachung über Instrumente zur Bekämpfung geheimer Absprachen samt Leitlinien für die Anwendung des Ausschlussgrundes.

Bieterabsprachen bei öffentlichen Auftragsvergaben sind der Europäischen Kommission seit Langem ein Dorn im Auge, weil sie ein zentrales Ziel des Vergaberechts vereiteln: die Vergabe von Aufträgen zu angemessenen und marktgerechten Preisen. Durch Bieterabsprachen werden Leistungen um bis zu 60% über den normalen Marktbedingungen eingekauft. Die Kommission sah daher dringenden Handlungsbedarf und veröffentlichte im März eine entsprechende Bekanntmachung zur Bekämpfung derartiger Absprachen. Diese soll Mitgliedstaaten und öffentlichen Auftraggebern wirksame Instrumente zur frühzeitigen Erkennung geheimer Absprachen an die Hand geben und öffentliche Auftragsvergaben professionalisieren.

Was sind verbotene Bieterabsprachen?

Bieterabsprachen treten in Vergabeverfahren in verschiedensten Formen auf. Dazu zählen zB

Absprachen zielen darauf ab, den Auftraggeber in dem Glauben zu lassen, dass tatsächlich ein Wettbewerb um einen Auftrag besteht, obwohl die Bieter bereits im Vorhinein vereinbart haben, wer diesen erhält.

Inwiefern schädigen Bieterabsprachen den Staat und den Markt?

Da öffentliche Auftraggeber aufgrund von Bieterabsprachen auf in der Regel weit überhöhte Angebotspreise zuschlagen müssen, treiben diese insgesamt die Staatskosten in die Höhe. Dadurch fehlen die finanziellen Mittel für andere zentrale Aufgaben des Staats. Darüber hinaus werden Unternehmen, die sich an einer Bieterabsprache nicht beteiligen wollen, in der Regel davon abgehalten, sich am betroffenen Markt um Aufträge zu bewerben. Dies trifft besonders KMU, deren Beteiligung an öffentlichen Auftragsvergaben jedoch nach dem Wortlaut des Bundesvergabegesetzes ausdrücklich gewollt ist und gefördert werden soll.

Warum ist es so schwierig, Bieterabsprachen aufzudecken?

Märkte für öffentliche Auftragsvergaben zeichnen sich dadurch aus, dass sich die zu beschaffenden Leistungen und Mengen häufig wiederholen und die Anforderungen an Bieter in Vergabeverfahren oft über Jahre hinweg gleich bleiben. Diese Vorhersehbarkeit macht sie für geheime Absprachen anfälliger als andere Märkte und führt dazu, dass Unternehmen oft unentdeckt über Jahre hinweg kollusiv zusammenarbeiten können. Wenn überhaupt, werden Absprachen in der Regel erst lange nach Beendigung des Vergabeverfahrens bzw vollständiger Vertragsabwicklung aufgedeckt. Dies zeigt auch ein aktuelles Ermittlungsverfahren der Bundeswettbewerbsbehörde: 20 Müllentsorger stehen im Verdacht, seit über 15 Jahren durch Preisabsprachen und Marktaufteilungen gegen kartellrechtliche Bestimmungen zu verstoßen.

Als mögliche Gründe für das Aufdeckungsproblem nennt die Kommission unter anderem die häufig nicht ausreichende Schulung und Erfahrung des Personals bei öffentlichen Auftraggebern im Hinblick auf Bieterabsprachen, das Fehlen entsprechender zeitlicher Ressourcen während des Vergabeverfahrens oder auch korruptes Verhalten des öffentlichen Auftraggebers.

Was muss nach Ansicht der Kommission geschehen?

Zentral für die Bekämpfung geheimer Absprachen ist laut der Kommission, dass die öffentlichen Auftraggeber diesen proaktiv selbst entgegentreten und eine Aufdeckung nicht erst im Nachhinein durch die Wettbewerbsbehörden erfolgt. Mitgliedstaaten und öffentliche Auftraggeber sollen daher beim Aufbau von Kapazitäten zur Aufdeckung geheimer Absprachen unterstützt werden, etwa durch

Darüber hinaus soll die Zusammenarbeit zwischen nationalen zentralen Vergabe- und Wettbewerbsbehörden gefördert werden. Diese reduziert nach Ansicht der Kommission zudem das Risiko einer erfolgreichen Anfechtung von Ausscheidensentscheidungen, weil die wettbewerbsrechtliche Expertise die Gesamtbeurteilung erleichtert und die Begründung der Ausscheidensentscheidung stützt.

Konkrete Maßnahmen, die – unter Einhaltung der Datenschutzvorschriften – zur Förderung der Zusammenarbeit gesetzt werden können, sind zB

Hinweis: Die Bekanntmachung der Europäischen Kommission enthält darüber hinaus Leitlinien über die Anwendung der Ausschlussgründe wegen wettbewerbsverzerrender Absprachen. Diese geben unter anderem eine Orientierungshilfe, was unter der in der Vergaberichtlinie nicht definierten Wendung „hinreichend plausible Anhaltspunkte“ zu verstehen ist und was im Zusammenhang mit gemeinsamen Geboten von Bietern, Unterauftragsvergaben, Kronzeugen, Selbstreinigungsmaßnahmen und dem maximalen Ausschlusszeitraum zu beachten ist.

Praxistipp

Die Kommission gibt im Anhang zur Bekanntmachung auch konkrete Tipps für Auftragsvergaben und die damit befassten MitarbeiterInnen. Diese umfassen Ratschläge zur Gestaltung von Vergabeverfahren mit dem Ziel einer Abschreckung vor bzw Erschwerung von Bieterabsprachen. Neben der Verankerung eines vorzeitigen Kündigungsrechts im Leistungsvertrag bei nachträglicher Feststellung verbotener Absprachen nennt die Kommission etwa spezifische Schadenersatzregelungen und die Vermeidung von Wiederholungen in Vergabeverfahren. Weiters gibt die Kommission Tipps zur Aufdeckung von Absprachen bei der Angebotsprüfung (zB Prüfung, ob das Angebot einem „Bietermuster“ entspricht oder ob verschiedene Angebote identische Fehler oder Methoden zur Veranschlagung der Kosten enthalten) und listet Reaktionsmöglichkeiten auf mutmaßliche Absprachen auf.

Eine Faustregel im Vergaberecht lautet: Referenzen zum Eignungsnachweis können nachgereicht werden (behebbarer Mangel), Referenzen für die Auswahlentscheidung nicht (unbehebbarer Mangel). Im Anlassfall wollte der Bieter eine sowohl für die Eignung, als auch für die Auswahlentscheidung relevante Referenz nachreichen. Der VwGH unterlässt in seinem Beschluss die notwendige Differenzierung und stiftet damit Rechtsunsicherheit.

Rechtlicher Kontext

Gemäß § 138 BVergG muss der Auftraggeber mangelhafte Angebote vom Bieter aufklären lassen. Bei behebbaren Mängel sind einer Verbesserung zugänglich, unbehebbare Mängel können nicht verbessert werden. Dabei ist entscheidend ob durch die Mängelbehebung die Wettbewerbsstellung des Bieters oder Bewerbers gegenüber seinen Mitbewerbern materiell verbessert würde (VwGH 25.02.2004, 2003/04/0186). Für mangelhafte Teilnahmeanträge (erste Verfahrensstufe) gelten dieselben Grundsätze.

Im Zusammenhang mit der Behebbarkeit von Mängeln bei Referenzprojekten ist zu unterscheiden: Eine fehlende oder unzureichende Referenz zum Nachweis der Eignung kann vom Bieter oder Bewerber verbessert werden. Das Nachreichen einer Referenz für die Auswahlbewertung kann hingegen die Wettbewerbsstellung eines Bewerbers verbessern und ist nicht zulässig. Soweit die bisher herrschende Ansicht und ständige Rechtsprechung.

Ausgangssachverhalt und Entscheidungen des LVwG und VwGH

Die Auftraggeber führten ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zum Abschluss von Rahmenvereinbarungen über Verkehrsdienstleistungen in drei Losen durch. Die Teilnahmeunterlagen forderten den Nachweis je einer Referenz pro Los, wobei dieselben Referenzen auch im Rahmen der Auswahlprüfung bewertet werden sollten.

Eine Bewerberin legte einen Teilnahmeantrag für alle drei Lose und legte diesem nur zwei Referenzen bei. Aus dem Teilnahmeantrag ergab sich nicht, welche Referenz welchem Los zuzuordnen ist. Nach Ansicht der Auftraggeber hätte für jedes Los ein eigenes Referenzprojekt vorgelegt werden müssen und war die fehlende Zuordnung der Referenzprojekte zu den Losen nicht verbesserbar. Gegen die Nicht-Zulassung zur zweiten Stufe des Vergabeverfahrens brachte die Bewerberin einen Nachprüfungsantrag ein.

Das Verwaltungsgericht sah es als für die Auswahlprüfung erforderlich an, die Referenzen den jeweiligen Losen zuzuordnen. Es wäre die Gleichbehandlung der Bewerber gefährdet, wenn die Auftraggeber selbst die vorgelegten Referenzen einem bestimmten Los zuordnen könnten. Mangels der erforderlichen Zuordnung der Referenzen könne auch die technische Leistungsfähigkeit nicht überprüft werden. Ein Aufklärungsersuchen hätte nach Ansicht des Verwaltungsgerichts zu einem Wettbewerbsvorteil der Bewerberin geführt.

Der VwGH bestätigte das Erkenntnis des Erstgerichts und verwies darauf, dass die Auslegung der Ausschreibungsunterlagen nur dann einer Revision zugänglich wäre, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre. So eine Fehlbeurteilung lag nach Ansicht des VwGH nicht vor. Das Verwaltungsgericht durfte von einem unbehebbaren Mangel ausgehen, denn die Referenzen waren für die Auswahlentscheidung bewertungsrelevant und hätte eine Mangelbehebung deshalb einen Wettbewerbsvorteil bewirken können.

Fazit

Der VwGH bestätigt zunächst die bisherige Rechtsprechung, wonach mangelhafte Referenzen, die bei der Auswahlprüfung berücksichtigt werden sollen, keinesfalls nachgereicht werden dürfen. Der VwGH konkretisiert die bisherige Ansicht dahingehend, dass es darüber hinaus einen nicht verbesserbaren Mangel darstellt, wenn die vorgelegten (auswahlrelevanten) Referenzen keinem bestimmten Los zugeordnet sind – zumindest wenn insgesamt zu wenige Referenzen vom Bewerber vorgelegt wurden. Eine Nachreichung von Auswahlreferenzen oder nachträgliche Zuordnung wäre notwendigerweise wettbewerbsrelevant, dem VwGH ist insofern zuzustimmen.

Dass die fehlende Referenz auch nicht zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit nachgereicht werden durfte, ist hingegen nicht nachvollziehbar und steht in Widerspruch zur bisherigen höchstgerichtlichen Judikatur. Lässt man die Nachreichung einer Eignungsreferenz hingegen zu, muss nach einem Größenschluss konsequenterweise auch eine nachträgliche Referenzzuordnung möglich sein. Auch dass ein Referenzprojekt nach der Ausschreibung zugleich als Auswahlreferenz dienen sollte, kann daran nichts ändern. Die nachgereichte Referenz müsste (und dürfte!) über den Eignungsnachweis hinaus nicht in die Auswahlbewertung miteinfließen. Auf diese notwendige Differenzierung geht der Gerichtshof aber nicht ein.

Der Beschluss ist als (in diesem Punkt verfehlte) Einzelfallentscheidung anzusehen, die sich in die Logik der bisherigen Rechtsprechung kaum einordnen lässt. Da der VwGH die Revision nicht mit einem inhaltlichen Erkenntnis sondern beschlussmäßig (ohne tiefgreifendere rechtliche Begründung) erledigte, sollte der Entscheidung nicht allzuviel Bedeutung beigemessen werden.

Für viele überraschend hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 22.04.2021 in einem von der Europäischen Kommission gegen Österreich geführten Vertragsverletzungsverfahren die ausschreibungsfreie Anmietung von Räumlichkeiten im Bürogebäude „Gate 2“ durch die Stadt Wien – Wiener Wohnen (Wiener Wohnen) für vergaberechtskonform befunden

Die Kommission hatte den Vorwurf erhoben, dass das Gebäude, das erst nach Unterzeichnung des Mietvertrags durch Wiener Wohnen errichtet worden war, nach den Bedürfnissen von Wiener Wohnen gestaltet worden wäre, weshalb eigentlich ein ausschreibungspflichtiger Bauauftrag vorgelegen habe. Der EuGH hielt diese Vorwürfe für nicht stichhaltig.

Entscheidung des EuGH in der Rs C-537/19

Im Kern ging es in diesem Verfahren um die Frage, ob sich Wiener Wohnen bei der vergabefreien Anmietung von Räumen im Gebäudekomplex Gate-2 berechtigter Weise darauf berufen durfte, dass nach dem (damals geltenden) § 10 Z 8 BVergG 2006 Verträge über die Miete von Grundstücken oder vorhandenen Gebäuden nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts fallen.

In seiner Entscheidung weist der EuGH zunächst darauf hin, dass allein der Umstand, dass die anzumietenden Räumlichkeiten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht errichtet waren, einer Berufung auf den betreffenden Ausnahmetatbestand noch nicht entgegensteht. Aus den unionsrechtlichen Vorgaben zu dieser Ausnahme (24. ErwGrRL 2004/18, wonach Mietverträge über unbewegliches Vermögen oder Rechten daran, Merkmale aufweisen, „die die Anwendung von Vorschriften über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen unangemessen erscheinen lassen“), leitet der EuGH ab, dass sich diese Ausnahme auch auf die Miete nicht vorhandener, dh noch nicht errichteter Gebäude erstrecken kann.

Eine Berufung auf den Ausnahmetatbestand kommt nach Ansicht des EuGH nur dann nicht in Betracht, wenn die Errichtung des geplanten Bauwerks einen öffentlichen Bauauftrag darstellt, weil diese Errichtung den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen entspricht. Dies sei dann der Fall, wenn der öffentliche Auftraggeber Maßnahmen ergriffen hat, um die Merkmale der Bauleistung festzulegen oder zumindest einen entscheidenden Einfluss auf die Planung der Bauleistung zu nehmen; ebenso, wenn die vom öffentlichen Auftraggeber verlangten Spezifikationen über die üblichen Vorgaben eines Mieters für eine Immobilie hinausgehen.
Ein entscheidender Einfluss auf die Gestaltung eines Bauwerks liegt nach Ansicht des EuGH dann vor, wenn dieser Einfluss „auf die architektonische Struktur dieses Gebäudes wie seine Größe, seine Außenwände und seine tragenden Wände ausgeübt wird. Anforderungen, die die Gebäudeeinteilung betreffen können, nur dann als Beleg für einen entscheidenden Einfluss angesehen werden, wenn sie sich aufgrund ihrer Eigenart oder ihres Umfangs abheben“.

Vor diesem Hintergrund prüft der EuGH in der Folge jene Aspekte, zu denen die Kommission vorgebracht hatte, Wiener Wohnen habe damit entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung des Bauwerks genommen. Adaptierungen des Objektes (etwa die Errichtung weiterer Obergeschosse oder von Verbindungsbrücken zwischen zwei Bauteilen) waren nach Ansicht des EuGH schon vor Abschluss des Mietvertrags mit Wiener Wohnen optional eingeplant gewesen, weshalb Wiener Wohnen lediglich von einem im eingeräumten Recht zur Anmietung Gebrauch gemacht hat, was dann zur Errichtung dieser Bauteile geführt hat. Dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags noch keine Baugenehmigung vorgelegen hatte, bedeutet nach Ansicht des EuGH ebenfalls nicht, dass das Bauwerk bei Vertragsabschluss nicht schon – zumindest dem Grunde nach – fertig geplant gewesen ist. Sowohl die Laufzeit des Mietvertrages (unbefristet mit Kündigungsverzicht von zunächst 25 Jahren) als auch der Umstand, dass Wiener Wohnen den Baufortschritt durch eine begleitende Kontrolle genau überwacht hat (um – so das Vorbringen – im Fall von Bauverzögerungen zeitgerecht Maßnahmen, wie etwa die Verlängerung von Mietverträgen in bislang genutzten Gebäuden, setzen zu können) erachtet der EuGH nicht als bei derartigen Mietverträgen unüblich.

Auch sonstige Anforderungen und gewünschte Spezifikationen von Wiener Wohnen gingen nach Ansicht des EuGH nicht über das hinaus, was der Mieter eines Gebäudes wie der Gate 2-Immobilie üblicherweise verlangen kann. Schließlich war auch erkennbar, dass das in Rede stehende Gebäude so geplant wurde, dass Vorkehrungen für eine (rasche) Neuvermietbarkeit der Räumlichkeiten nach einem allfälligen (Teil-) Auszug von Wiener Wohnen getroffen wurden.
Da sich sämtliche von der Kommission erhobenen Vorwürfe damit nicht erhärtet haben, weist der EuGH die Klage ab.

Bewertung

Die vorliegende Entscheidung des EuGH ist zunächst deshalb bemerkenswert, weil sie sehr genaue Leitlinien dafür vorgibt, wann ein „entscheidender Einfluss“ eines öffentlichen Auftraggebers auf die Errichtung eines Bauwerks anzunehmen ist. Der EuGH unterscheidet grundsätzlich zwei Aspekte (vgl. Rs C-537/19 Rz 53):

Zu den „Äußerlichkeiten“ des Gebäudes, auf die die Kommission eine Einflussnahme von Wiener Wohnen behauptet hatte (Brücke und OG 6 – 8), hat der EuGH im Wesentlichen nur darauf hingewiesen, dass deren Errichtung schon vor Involvierung von Wiener Wohnen optional geplant gewesen war. Mit seiner sehr detaillierten Auseinandersetzung zu den sonstigen Anforderungen und Spezifikationen bzw anderen Inhalten des Mietvertrages hat der EuGH in der Folge eine recht genaue Anleitung dafür gegeben, was zulässigerweise zwischen einem Vermieter und einem öffentlichen Auftraggeber in einem Mietvertrag vereinbart werden darf, ohne dass die Gefahr besteht, dass der Vertragsabschluss als vergabepflichtiger Vorgang einer Ausschreibungspflicht unterworfen ist.

Insoweit bringt das vorliegende Urteil sicher ein Stück weit Rechtssicherheit für die häufig gestellte Frage, wie weit öffentliche Auftraggeber in Mietverträgen Einfluss auf die (Um-) Gestaltung des Mietobjektes nehmen dürfen, ohne mit dem Vergaberecht in Konflikt zu geraten.

Mit dem geplanten Informationsfreiheitsgesetz möchte die Bundesregierung das Amtsgeheimnis beseitigen und weitestgehende Transparenz der öffentlichen Hand schaffen. Das hat auch Auswirkungen auf die Vergabepraxis.
Karlheinz Moick und Sophie Reiter-Werzin von FSM Rechtsanwälte haben die wichtigsten Fakten und Neuerungen für Auftraggeber in diesem Gastbeitrag zusammengefasst.

Welche Änderungen soll das Informationsfreiheitspaket bringen?

Österreich ist im internationalen Transparenzranking Schlusslicht. Daher will die Bunderegierung mit dem seit 22.02.2021 in Begutachtung befindlichen Entwurf des Informationsfreiheitspakets das Amtsgeheimnis endgültig beseitigen und staatliche Transparenz zur Regel machen.
Sollte das Informationsfreiheitspaket wie vorgeschlagen in Kraft treten, ergeben sich im Überblick folgende Änderungen:

Wie soll der Zugang zu staatlichen Informationen ablaufen?

Jede Person kann den Zugang zu staatlichen Informationen bei einer auskunftspflichtigen Stelle beantragen (§ 5 IFG). Die beantragten Informationen müssen bereits vorhanden und verfügbar sein. Die auskunftspflichtigen Stellen müssen nicht erst Informationen erheben oder gesondert aufbereiten.

Auskunftspflichtige Stellen müssen auch nur „fertige“ Informationen weitergeben. Zum Beispiel ist ein Vorentwurf eines Sachbearbeiters, der noch durch den zuständigen Genehmigenden approbiert werden muss, keine fertige Information.

Die angefragte Information – oder auch die Ablehnung der Anfrage – ist innerhalb von vier Wochen mitzuteilen. Aus besonderen Gründen kann diese Frist um weitere vier Wochen verlängert werden.

Muss jede Information weitergegeben werden?

Die Transparenzpflicht des IFG ist grundsätzlich umfassend, mit einigen Ausnahmen. Vor allem dürfen Informationen nicht zugänglich gemacht werden, wenn sie unter einen Geheimhaltungsgrund (§§ 6, 13 Abs 2 IFG – näheres dazu unten) fallen.

Zudem ist der Zugang zu Informationen dann nicht zu erteilen, wenn

Welche Geheimhaltungsgründe können für öffentliche Auftraggeber relevant sein?

Im Beschaffungsbereich sind potenziell folgende Geheimhaltungsgründe des IFG betroffen:

Zum einen sind Informationen im Interesse der unbeeinträchtigten Vorbereitung einer Entscheidung geheim zu halten. Das betrifft vor allem laufende Vergabeverfahren (z.B. wegen der Vorbereitung der Zuschlagsentscheidung).

Zum anderen dürfen Informationen nicht weitergegeben werden, wenn dadurch dem öffentlichen Auftraggeber ein erheblicher wirtschaftlicher oder finanzieller Schaden zugefügt werden könnte (§ 6 Abs 1 Z 6 IFG).
Steht ein öffentlicher Auftraggeber mit anderen Organisationen in Wettbewerb, dürfen etwa wettbewerblich sensible Daten nicht weitergegeben werden.

Informationen dürfen zudem auch dann nicht weitergegeben werden, wenn berechtigte Interessen anderer auf Geheimhaltung überwiegen (§ 6 Abs 1 Z 7 IFG). Zu den berechtigten Interessen anderer zählen laut Gesetzesentwurf insbesondere

Bei Beschaffungsvorhaben wird insbesondere die Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen relevant sein. So dürfen etwa Details des Angebots eines Bieters, das Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse oder personenbezogene Daten enthält, nicht weitergegeben werden.
Aber nicht nur berechtigte Interessen von Bietern, sondern auch eigene geschützte Interessen des auskunftspflichtigen Auftraggebers (wie z.B. eigene Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse) sind zu wahren. Der Umfang von Informationspflichten wird von der Art des Vergabeverfahrens abhängen. Während bei Ausschreibungen von Standardprodukten im offenen Verfahren meist wenig Geschäftsgeheimnisse vorhanden sind, werden bei Verhandlungsverfahren oder wettbewerblichen Dialogen viel mehr vertrauliche Informationen ausgetauscht.

Ob Informationen herausgegeben werden dürfen oder nicht, muss der Auftraggeber im Rahmen einer Interessenabwägung beurteilen. Dabei hat er in jedem Einzelfall zu prüfen, ob einerseits ein berechtigter Geheimhaltungsgrund besteht, der eine Veröffentlichung der Information verhindern könnte. Andererseits muss der Auftraggeber auch das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung der Information in die Prüfung miteinbeziehen. Überwiegen die schützenswerten Interessen, darf die Information nicht weitergegeben werden.
Ist allerdings das öffentliche Interesse an der Information so groß, dass die Weitergabe gerechtfertigt ist, muss der Auftraggeber die Information weitergeben. Auftraggeber werden bei der Interessensabwägung sehr umsichtig vorgehen müssen, um weder gegen die Geheimhaltungspflichten des BVergG zu verstoßen, noch gegen die Informationspflichten des IFG.

Was Sie zur proaktiven Veröffentlichungspflicht (Informationsregister) wissen müssen

Hoheitlich-tätige Auftraggeber müssen – sofern kein Geheimhaltungsgrund vorliegt – Informationen von allgemeinem Interesse proaktiv in einem auf data.gv.at einzurichtenden Informationsregister veröffentlichen (§ 4 IFG). Insb Auftraggeber im Bereich der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung, aber auch Beliehene, sind daher zur proaktiven Veröffentlichung verpflichtet.

Hinweis: Nicht-hoheitlich tätige Stiftungen, Anstalten, Fonds und Unternehmungen, die der Rechnungshofkontrolle unterliegen, trifft zwar keine proaktive Veröffentlichungspflicht, diese sind aber auf Anfrage zur Auskunft verpflichtet (siehe oben Auskunftspflicht). Börsennotierte Unternehmungen unterliegen weder der Veröffentlichungs- noch der Auskunftspflicht gegenüber BürgerInnen.

Proaktiv im Informationsregister veröffentlicht werden müssen „Informationen von allgemeinem Interesse“. Das sind Informationen, die für einen größeren Personenkreis relevant und aktuell sind. Der Entwurf des Gesetzes erwähnt beispielhaft etwa Gutachten, Stellungnahmen und Verträge ab einem Schwellenwert von EUR 100.000,– (dazu zählen auch Verträge, die außerhalb des Anwendungsbereichs des BVergG vergeben wurden). Hier ergeben sich für öffentliche Auftraggeber Schwierigkeiten: Während bei den Transparenzpflichten des BVergG klar definiert ist, welche Informationen bekanntzugeben sind, gibt es nach dem derzeitigen Entwurf des IFG nur wenige Anhaltspunkte dafür, welche Informationen genau von der aktiven Veröffentlichungspflicht umfasst sind (Eckpunkte eines Vertrags? Der gesamte Vertrag? Dazu auch Beilagen des Vertrags?).

Hinweis: Die Veröffentlichungspflichten des BVergG 2018 bleiben unbeschadet der proaktiven Veröffentlichungspflicht nach dem IFG weiter bestehen!

Fazit

Das geplante Informationsfreiheitsgesetz ist grundsätzlich ein positiver Schritt zu mehr Transparenz, stellt aber öffentliche Auftraggeber vor große Herausforderungen. In Zukunft müssen diese in jedem Einzelfall prüfen, ob berechtigte Schutzinteressen bestehen, die eine Weitergabe der Information verhindern könnten.

Anderseits müssen sie auch das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung berücksichtigen. Wichtige Anhaltspunkte für solche Entscheidungen liefert die vergaberechtliche Judikatur zur Geheimhaltung, auch hier werden regelmäßig Interessenabwägungen vorgenommen.