Die Vergabe von Konzessionsverträgen unterliegt dem Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018, kurz „BVergGKonz 2018“. Dieses ermöglicht Auftraggebern eine weitgehend freie Gestaltung der Vergabeverfahren. Auftraggeber können insbesondere die einzelnen Verfahrensschritte selbst festlegen und verfügen somit über mehr Spielraum als bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nach dem Bundesvergabegesetz 2018. Die Qualifikation eines Vertrags als Konzession hat also weitreichende Konsequenzen für das Vergabeverfahren.
Konzessionsverträge über Bau- oder Dienstleistungen zeichnen sich durch zwei Merkmale aus:
- Die Gegenleistung für die Arbeiten besteht in dem Recht zur Nutzung bzw. Verwertung der betreffenden Bauwerke oder Dienstleistungen. Zusätzlich zu diesem Nutzungsrecht kann ein Preis bezahlt werden.
- Der Konzessionär trägt das Betriebsrisiko.
Baukonzessionen
Bei Baukonzessionsverträgen beauftragen einen oder mehrere Auftraggeber einen oder mehrere Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen. Die Gegenleistung besteht nicht (nur) in der Zahlung eines Preises, sondern in dem Recht zur Nutzung des vertragsgegenständlichen Bauwerkes.
Bauleistungen sind:
- die Ausführung oder die gleichzeitige Ausführung und Planung von Bauleistungen im Zusammenhang mit Tätigkeiten wie vorbereitenden Baustellenarbeiten, Hoch- und Tiefbau, Bauinstallationen, Vermietung von Baumaschinen etc. oder
- die Erbringung einer Bauleistung durch Dritte gemäß den von den Auftraggebern genannten Erfordernissen, gleichgültig mit welchen Mitteln die Erbringung erfolgt, sofern die Auftraggeber einen entscheidenden Einfluss auf die Art und die Planung des Vorhabens haben.
Ein Beispiel für eine Baukonzession ist die Errichtung und der Betrieb eines Straßentunnels oder eines Autobahnteilstücks, bei dem Unternehmer die Baukosten überwiegend durch Einhebung einer Maut refinanzieren.
Dienstleistungskonzessionen
Bei Dienstleistungskonzessionsverträgen betrauen ein oder mehrere Auftraggeber einen oder mehrere Unternehmer mit der Erbringung und der Durchführung von Dienstleistungen, die keine Bauleistungen sind. Auch in diesem Fall besteht die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der vertragsgegenständlichen Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises.
Dienstleistungskonzessionen sind zum Beispiel der Betrieb eines öffentlichen Parkplatzes, eines Kabelfernsehnetzes oder die Erbringung von Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr, bei denen die Gegenleistung in der Entgeltzahlung der Nutzer bzw. Fahrgäste besteht.
Betriebsrisiko
Charakteristisch für eine Konzession ist – neben dem Nutzungs- bzw. Verwertungsrecht des Bauwerkes bzw. der Dienstleistung – die Übertragung des Betriebsrisikos für die Nutzung dieses Konzessionsrechts auf den Konzessionär. Eine wirtschaftliche Risikotragung liegt vor, wenn unter normalen Betriebsbedingungen nicht garantiert ist, dass die Investitionsaufwendungen oder die Kosten für den Betrieb des Bauwerkes bzw. die Erbringung der Dienstleistung wieder erwirtschaftet werden können. Die Zahlung eines Zuschusses durch Auftraggeber schadet grundsätzlich nicht, solange der Übergang des Betriebsrisikos zur Folge hat, dass Konzessionäre den Unsicherheiten des Marktes tatsächlich ausgesetzt sind und somit ihre geschätzten potenziellen Verluste nicht bloß rein nominell oder vernachlässigbar sind.
Zum Betriebsrisiko zählen das Risiko der Konkurrenz durch andere Unternehmer, das Risiko des Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage, das Verlustrisiko, das Haftungsrisiko und das Risiko der Zahlungsunfähigkeit (des Zahlungsausfalles) derjenigen, die die Bezahlung der erbrachten Leistungen schulden. Risiken, die jedem Vertrag immanent sind, wie z.B. Risiken, die sich aus einer mangelhaften Betriebsführung oder aus Beurteilungsfehlern der Unternehmer ergeben (Fehleinschätzungen, Fehlkalkulationen), sind für die Qualifikation als Konzession unerheblich.
Mit dem Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich konnten ein „No Deal“ abgewendet und die ab 01.01.2021 geltenden Bedingungen für die zukünftige Zusammenarbeit – auch im öffentlichen Beschaffungswesen – festgelegt werden.
Was ändert sich nun zwischen der EU und dem UK im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens?
Die Bestimmungen der EU-Vergaberichtlinien sind seit dem 01.01.2021 nicht mehr auf britische (öffentliche) Auftraggeber und Wirtschaftsteilnehmer anzuwenden. Im Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und dem Vereinigten Königreich (UK) – Trade and Cooperation Agreement, kurz: TCA – sind unter dem Titel VI Öffentliches Auftragswesen samt Anhang PROC-1 die neuen Regelungen festgelegt.
Das TCA bestimmt im Wesentlichen die Geltung der Bestimmungen des General Procurement Agreement (GPA) der Welthandelsorganisation. Bei allen Beschaffungen, die über den im GPA festgelegten Schwellenwerten (diese sind je nach Auftraggeber 139 000 bis 438 000 EUR und bei Bauleistungen 5 350 000 EUR) liegen, kommt ein umfassendes Gleichbehandlungsgebot zur Anwendung. Das TCA erfasst über das das GPA hinausgehende Beschaffungen, zu denen Unternehmen aus der EU und dem UK ab dem 01.01.2021 auf den jeweiligen Märkten der anderen Seite Zugang haben werden. Zudem regelt das TCA, dass selbst außerhalb der vom TCA (und vom GPA) erfassten Beschaffungen eine Diskriminierung von solchen Unternehmen verboten ist, die eine Niederlassung in einem Mitgliedstaat der EU bzw. im UK haben.
Folgende Beschaffungen unterliegen nicht dem TCA:
- Aufträge unterhalb der im GPA und im TCA festgelegten Schwellenwerte.
- Bestimmte besondere Dienstleistungen des Gesundheits- und Sozialwesens, nämlich Dienstleistungen im Bereich der menschlichen Gesundheit (CPC 931), administrative Gesundheitsdienstleistungen (CPC 91122), Dienstleistungen der Bereitstellung von Krankenpflegepersonal und Dienstleistungen von medizinischem Personal (CPC 87206 und CPC 87209).
- Dienstleistungskonzession.
In diesen Fällen müssen öffentliche Auftraggeber in EU-Mitgliedsstaaten britische Wirtschaftsteilnehmer bei Vergabeverfahren nicht zulassen. Dies gilt freilich auch umgekehrt.
In der Praxis wird abzuwarten sein, ob selbst im Falle einer fehlenden Verpflichtung der Zulassung tatsächlich ein Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern aus dem UK von Vergabeverfahren erfolgen wird – und in welchem Ausmaß EU-Wirtschaftsteilnehmer von britischen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. In bestimmten Fällen könnten die öffentlichen Auftraggeber den zusätzlichen Wettbewerb begrüßen und froh sein, weiterhin mit Anbietern aus den jeweils anderen Märkten zu verhandeln.
Rechtslage bei laufenden Beschaffungsvorhaben
Das neben dem TCA weiterhin in Geltung stehende Austrittsabkommen vom 17.10.2019 bestimmt in Art 76 die für bereits laufende Vergabeverfahren geltende Rechtslage. Auf Verfahren, die zum 31.12.2020 eingeleitet und noch nicht abgeschlossen waren, sind die EU-Vergaberichtlinien weiter anzuwenden. Ebenso gilt das EU-Vergaberecht für Rahmenvereinbarungen, die vor dem 31.12.2020 geschlossen wurden und am 31.12.2020 weder abgelaufen noch gekündigt waren.
Ein öffentlicher Auftraggeber schloss ohne Vergabeverfahren einen Mietvertrag für seine neue Unternehmenszentrale ab. Erst im Anschluss errichtete der Vermieter das Gebäude. Liegt ein Bauauftrag vor? Der Generalanwalt schließt sich der Europäischen Kommission an und bejaht die Ausschreibungspflicht. Das Gebäude sei entsprechend den Vorgaben der Auftraggeberin errichtet worden.
Rechtlicher Kontext
Mietverträge sind gemäß § 9 Abs 1 Z 10 BVergG vom Anwendungsbereich des BVergG grundsätzlich ausgenommen (vgl Art 10 Vergaberichtlinie 2014/24/EU). Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind allerdings Mietverträge als Bauauftrag einzustufen und nicht unter die Ausnahme nach Z 10 zu subsumieren, wenn der Vertragspartner das vermietete Gebäude erst errichtet – und zwar nach den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen (siehe auch § 5 Z 3 BVergG: „Bauleistung durch Dritte“). Auch bei Verträgen über Standardimmobilien, wie z.B. Bürogebäuden, ist zu prüfen, ob der Auftraggeber in die Planung eingebunden ist bzw. ob Sonderwünsche bei der Ausführung übermäßig berücksichtigt werden. Ein von der EuGH-Rechtsprechung zu berücksichtigender Umstand ist ferner die Frage, ob bei Vertragsabschluss mit der Errichtung des Gebäudes bereits begonnen wurde.
Ausgangssachverhalt
Die öffentliche Auftraggeberin beschloss im Rahmen der strategischen Neuausrichtung den Umzug in eine einzige Unternehmenszentrale für mindestens 750 MitarbeiterInnen. Im Mai 2012 unterzeichnete sie einen Mietvertrag; das Gebäude befand sich zu diesem Zeitpunkt noch in Planung. Ende 2014 wurde das Gebäude fertiggestellt.
Die Europäische Kommission leitete im Jahr 2016 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich ein. Obwohl die Parteien einen Mietvertrag abgeschlossen hatten, handle es sich in Wirklichkeit aufgrund des entscheidenden Einflusses der Auftraggeberin auf die Projektausführung um einen Bauauftrag, der im Rahmen eines Vergabeverfahrens zu vergeben gewesen wäre.
Der zuständige Generalanwalt Manuel Campos Sánches-Bordona veröffentlichte kürzlich seinen Vorschlag für ein Urteil (Schlussanträge). Zwar ist der EuGH an diese Vorschläge nicht gebunden, in ca 3/4 aller Fälle folgt er allerdings den Vorschlägen des Generalanwalts.
Empfehlung des Generalanwalts
Die Auftraggeberin sei an der Planung und Ausführung des Bauprojekts maßgeblich beteiligt gewesen, um es an ihre Anforderungen anzupassen. Begründend führte der Generalanwalt aus, dass bei Vertragsschluss im Mai 2012 mit dem Bau noch nicht begonnen worden sei und darüber hinaus noch nicht mal eine Baubewilligung für das konkrete Projekt bestanden habe. Die Auftraggeberin hätte tatsächlich die endgültige Struktur des Projekts mitbestimmt, da die im Vertrag eingeräumte Option zur Errichtung weiterer Stockwerke und der Errichtung einer Brücke zwischen den Gebäudeteilen auch ausgeübt wurde. Die in der Ergänzung zum Mietvertrag angeführten Spezifikationen für den Bau seien darüber hinaus so detailliert und die Rolle der Auftraggeberin so bedeutend, dass sie über das hinausgehen würden, was üblicherweise zwischen einem Vermieter und Mieter vereinbart wird.
Der Generalanwalt unterstützt im Ergebnis die Klage der Kommission und schlägt dem Gerichtshof vor, die Vertragsverletzung der Republik Österreich festzustellen.
Fazit
Die Empfehlung des Generalanwalts reiht sich in die bisherige Rechtsprechung des EuGH zur Abgrenzung zwischen Mietverträgen und Bauaufträgen ein.
Auch ohne Preisanpassungsklausel können Auftraggeber und Auftragnehmer im Nachhinein eine Indexanpassung vereinbaren. Eine Änderung des Entgelts, die lediglich der allgemeinen Preisentwicklung Rechnung trägt und damit der Wertsicherung dient, ist unwesentlich.
Hintergrund
Wollen Auftraggeber und Auftragnehmer nach Zuschlagserteilung Vertragsbestimmungen anpassen, haben sie neuerlich vergaberechtliche Implikationen zu bedenken. Für nachträgliche Vertragsänderungen besteht seit dem BVergG 2018 zwar erstmals eine gesetzliche Grundlage. In vielen Fällen hinterlässt die gebotene Einzelfallbeurteilung aber Rechtsunsicherheiten. Im Anfechtungsfall droht eine Nichtigerklärung des Vertrags. Umso erfreulicher für die Vergabepraxis, wenn der VwGH für eine Konstellation der Preisanpassung klare Worte findet.
Ausgangssachverhalt und Entscheidung
Die Auftraggeberin hatte 2007 einen Vertrag über die Lieferung von Schulmahlzeiten an städtische Pflichtschulen in der Stadt Salzburg vergeben. Der Portionspreis war in der Zuschlagserteilung betraglich mit EUR 2,70 brutto bestimmt worden. Laut den Vertragsbestimmungen der Ausschreibung sollte dieser Preis als Festpreis für drei Jahre ab Vertragsbeginn gelten und nach Ablauf dieser Zeit „nur im gegenseitigen Einvernehmen“ geändert werden können. Sonstige Preisanpassungsmechanismen fanden sich im Vertrag nicht.
2010 vereinbarten Auftraggeberin und Auftragnehmerin erstmals eine Preisanpassung entsprechend dem Verbraucherpreisindex (VPI); ab 2012 wurde das Entgelt jährlich nach dem VPI angepasst. Eine Bieterin aus dem ursprünglichen Vergabeverfahren sah darin eine wesentliche Vertragsänderung, die keine Deckung im Vertrag findet. Sie bekämpfte den Vorgang mittels Feststellungsantrag als rechtswidrige Direktvergabe.
Der VwGH sah in einer Entgeltänderung „in Anlehnung an den Verbraucherpreisindex“ keine wesentliche nachträgliche Vertragsänderung. „Im Fall einer Preisanpassung, die lediglich der allgemeinen Preisentwicklung Rechnung trägt und damit der Wertsicherung dient, ist nicht anzunehmen, dass die Änderung zu einer Verfälschung des Wettbewerbs zwischen den potenziellen Interessenten und zu einer Bevorzugung des Auftragnehmers gegenüber anderen Unternehmern führt.“
Fazit
Die Qualifikation einer neu eingeführten Indexanpassung als unwesentliche Vertragsänderung ist insofern bemerkenswert, als sie eine klare (wenn auch geringfügige) Verbesserung für den Auftragnehmer bedeutet. Nach dem Wortlaut der ständigen Rechtsprechung des EuGH, der VergabeRL und des nun geltenden § 365 Abs 2 Z 2 BVergG 2018 sind nämlich alle Änderungen, mit denen das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages oder der Rahmenvereinbarung zugunsten des Auftragnehmers verschoben wird, wesentlich (und damit nicht zulässig).
Die Entscheidung hat außerdem über den Anlassfall hinaus Bedeutung – für den VwGH war die konkrete Ausschreibungsgestaltung nämlich nicht relevant: Wenn eine Änderung als unwesentlich zu qualifizieren ist, komme es auch nicht darauf an, ob sie auf eine Bestimmung in der Ausschreibung gestützt werden kann. Der im Einzelfall heranzuziehende Index wird nicht immer (zwingend) der Verbraucherpreisindex sein. Je nach Auftragsgegenstand wird jener Index zu ermitteln sein, der die entsprechende Preisentwicklung berücksichtigt.
Tatsächlich bildet – zumindest nach dem zwischenzeitig in Kraft getretenen BVergG 2018 – eine im Leistungsvertrag geregelte Zulässigkeit nachträglicher Änderungen „im gegenseitigen Einvernehmen“ keine ausreichende Grundlage für nachträgliche Vertragsänderungen. Sie enthält nämlich keine Festlegungen zu „Umfang und Art der möglichen Änderungen [… ] sowie zu den Bedingungen […], unter denen sie zur Anwendung gelangen können“ (§ 365 Abs 3 Z 2 BVergG 2018).
VwGH 19.06.2020, Ra 2017/04/0125
Veranstaltungstipp
Dr. Sebastian Feuchtmüller ist Vortragender bei:
Vergabeforum Wien
Datum: 15. & 16. Oktober 2020
Veranstalter: Business Circle
Weitere Information und Anmeldung
Ausgangssachverhalt und Entscheidung
Eine öffentliche Auftraggeberin im Raum Steiermark hat Bodenmarkierungsarbeiten in der Region Bruck/Mur für den Zeitraum 2020-2021 in einem offenen Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich ausgeschrieben. Die Zuschlagsentscheidung in diesem Vergabeverfahren wurde vom zweitgereihten Bieter insbesondere deshalb angefochten, weil die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin erhebliche Mängel bei der Durchführung von Bodenmarkierungsarbeiten in einem anderen Bundesland erkennen hat lassen, dies zu einer Ersatzvornahme durch diese Auftraggeberin geführt habe und daher der Ausschlussgrund gem § 78 Abs 1 Z 9 BVergG 2018 vorliegt. Diese früheren Bodenmarkierungsarbeiten wurden von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gemeinsam mit einem anderen Unternehmen in einer ARGE erbracht.
Im Nachprüfungsverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Stmk wurde zur mangelhaften Leistungserbringung bei den Bodenmarkierungen in dem anderen Bundesland festgestellt, dass sowohl Mängel bei den Flächenmarkierungen, als auch bei den Längsmarkierungen (Mittel- und Randmarkierungen) aufgetreten sind. Bei den Flächenmarkierungen wurden mangelnde Rückstrahlwerte und bei der Linienführung Abweichungen beim Markierungsbild und anderen Funktionen der Markierung festgestellt. Bei Inselumrandungen fehlten Markierungen und waren Fahrbahnverschmutzungen festzustellen.
Für die fehlenden Markierungen wurde von der Auftraggeberin einerseits eine Ersatzvornahme auf Kosten der ARGE vorgenommen und andererseits ein Pönale vom Schlussrechnungsbetrag in Abzug gebracht. Die Ausführungsmängel wurden durch Preisminderungen im Schlussrechnungsbetrag berücksichtigt. Von der Schlussrechnungssumme wurden ca. 10 % abgezogen.
Entscheidungsgründe
Das Landesverwaltungsgericht Stmk bejahte gegenständlich das Vorliegen des Ausschlussgrundes gemäß § 78 Abs 1 Z 9 BVergG, weil die präsumtive Zuschlagsempfängerin bei der Erfüllung eines früheren Vertrags erhebliche Mängel im Zusammenhang mit wesentlichen Anforderungen zu verantworten hat, welche Schadenersatzleistungen nach sich gezogen haben.
Soweit die präsumtive Zuschlagsempfängerin vorgebracht hat, dass die Verfehlungen aus dem früheren Auftrag auf den ARGE-Partner zurückzuführen waren, hat das Landesverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin solidarisch für die Leistungserbringung haftet und die präsumtive Zuschlagsempfängerin zudem ein erhebliches Organisationsverschulden trifft.
Zum Ausschlussgrund des § 78 Abs 1 Z 9 BVergG hielt das Landesverwaltungsgericht Stmk fest, dass sich dieser Ausschlussgrund nicht auf Verträge des jeweils ausschreibenden Auftraggebers beschränkt, sondern auch bei Verträgen für andere (öffentliche) Auftraggeber Platz greift. Voraussetzung für die Vornahme des Ausschlusses sind hierbei die entsprechende Kenntnis und die Beweisbarkeit hierzu.
Der Begriff „erhebliche oder dauerhafte Mängel“ ist europarechtlich auszulegen; ihm liegt nicht der Mangelbegriff des Gewährleistungsrechts im Sinne des § 932 ABGB zugrunde. Auslösender Moment für die Erfüllung des Ausschlussgrundes ist, dass diese Mängel die vorzeitige Beendigung dieses früheren Auftrags bzw eine Schadenersatzleistung oder eine andere vergleichbare Sanktion wie ein Pönale/Vertragsstrafe nach sich gezogen haben.
Anmerkung
Mit diesem Erkenntnis wurde – soweit ersichtlich – erstmals über den mit dem BVergG 2018 neu aufgenommenen Ausschlussgrund des § 78 Abs 1 Z 9 abgesprochen. Die Entscheidung zeigt, dass Unternehmen, die einen vergangenen Auftrag mangelhaft erfüllt haben und dies zu einer vorzeitigen Vertragsbeendigung und/oder zu Ersatzvornahmen, Pönalen und Qualitätsabzügen geführt hat, bei zukünftigen Vergabeverfahren auszuscheiden sind, sofern nicht entsprechende „selbstreinigende“ Maßnahmen iSd § 83 Abs 2 BVergG durchgeführt wurden. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die vertragliche Verfehlung bei dem Auftraggeber erfolgt ist, bei dessen Vergabeverfahren man sich beteiligen möchte.
Weiters ist auf die jüngste Entscheidung des EuGH (3.10.2019, Rs C‑267/18 Rn 34ff) hinzuweisen. Aus dieser ergibt sich, dass eine vorzeitige Beendigung eines früheren Auftrages aufgrund erheblicher Mängel vom Bieter im Rahmen des Vergabeverfahrens offenbar aktiv bekanntzugeben ist. Der EuGH führt in diesem Zusammenhang aus, dass bei einer Unterlassung der Angabe dieses möglichen Ausschlussgrundes der Ausschlussgrund gemäß Art 57 Abs 4 lit h Richtlinie 2014/24/EU erfüllt sein könnte (dieser Ausschlussgrund entspricht im Wesentlichen § 78 Abs 1 Z 10 BVergG), weil eine wesentliche Auskunft zur Beurteilung der Eignung nicht erfolgt ist.
Es ist daher zu empfehlen, dass Unternehmen, die einen Auftrag aufgrund erheblicher oder dauerhafter Mängel bei der Vertragserfüllung in der Vergangenheit durch eine vorzeitige Beendigung durch den Auftraggeber verloren haben und/oder dies zu Schadenersatz (oder ähnlichen Sanktionen) geführt hat, entsprechende „selbstreinigende“ Maßnahmen setzen, um solche Mängel künftig hintanzuhalten. Weiters sollten solche Unternehmen, wenn sie sich an einem Vergabeverfahren beteiligen, den Auftraggeber rechtzeitig auf solche „Vorfälle“ in der Vergangenheit aktiv hinweisen, um nicht eine eignungsrelevante Information verschwiegen zu haben.
LVwG Stmk 09.03.2020, 443.8-2976/2019-43
Bei der Ausschreibung von Straßenbau- und Erdarbeiten war ein Zuschlagskriterium die „Belastung des öffentlichen Straßennetzes durch LKW-Transporte“. Zur Stolperfalle wurde einer Bieterin der anzugebende Startpunkt in Google-Maps. Der VwGH zeigt, worauf Auftraggeber und Bieterin bei Distanzprogrammen aufpassen sollten.
Ausgangssachverhalt und Entscheidung
Die Auftraggeberin führte ein offenes Verfahren zur Vergabe von Straßenbau- und Erdarbeiten durch. Ein Zuschlagskriterium war die „Belastung des öffentlichen Straßennetzes durch LKW-Transporte“. Hierfür war ein Google-Maps-Auszug vorzulegen, aus dem die Kilometerentfernung zur Einbaustelle hervorgeht. Startpunkt für die Berechnung der Distanz war jene Stelle, auf der die LKWs erstmals das öffentliche Verkehrsnetz benützen.
Eine Bieterin legte einen Google-Maps-Ausdruck vor, in dem als Startpunkt nicht die Ausfahrt des Abbaufelds selbst, sondern die (etwas näher gelegene) Ausfahrt vom Bürogebäude des Abbaufelds eingetragen war. Die Auftraggeberin stellte fest, dass diese Ausfahrt von LKWs nicht benützt werden konnte und bewertete das Angebot der Bieterin in diesem Kriterium mit 0 Punkten. Gegen diese Auffassung wehrte sich die Bieterin mit der Ansicht, die Benützung der Ausfahrt vom Bürogebäude durch LKWs hätte berücksichtigt werden müssen. Es handle sich um ein Leistungsversprechen, das bis zum Zuschlag bewerkstelligt hätte werden können.
Das LVwG Niederösterreich wies den Nachprüfungsantrag unter Verweis auf die bestandfesten Ausschreibungsunterlagen ab. Danach hätte jene Abfahrtsadresse angegeben werden müssen, die im Zeitpunkt der Angebotsabgabe beim jeweiligen Produktionsstandort tatsächlich benutzt worden ist. Die nachträgliche Errichtung von Zu- und Abfahrten hätte der Bieterin einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können und war deshalb nicht ausreichend.
Der VwGH wies die außerordentliche Revision der Bieterin zurück. Auch nach Ansicht des Gerichtshofs war die Bewertung des Angebots mit 0 Punkten wegen der bestandfesten Angabe der Abfahrtsadresse in den Ausschreibungsunterlagen (Stelle, an der „der LKW erstmals das öffentliche Straßennetz benützt“) nicht unvertretbar.
Tipps
Tipp an Auftraggeber
Bei der Festlegung der Vorgaben für die Berechnung der Distanz und deren Konsequenzen kann jedes Detail entscheiden. Definieren Sie deshalb exakt den Start- und den Zielpunkt. Legen Sie außerdem die Konsequenzen von fehlerhaften Angaben (zB falscher Startpunkt) fest.
Tipp an Bieter
Die Erstellung von Routenplänen kann eine technische Herausforderung sein bzw die Bedienung des betreffenden Distanzprogramms Fragen aufwerfen. Erstellen Sie deshalb gleich zu Beginn der Angebotsfrist allfällige geforderte Routenpläne. Dann können Sie bei Unklarheiten noch Fragen an den Auftraggeber stellen.
VwGH 17.04.2020, Ra 2017/04/0124
In einer aktuellen Entscheidung vom 04.06.2020 in der Rs C-429/19, Abfallzweckverband Rhein-Mosel-Eifel, hat sich der EuGH einmal mehr mit dem Institut der öffentlich-öffentlichen Kooperation und dabei insbesondere dem Kriterium der „Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern“ (vgl Art 12 Abs 4 lit a RL 2014/24 sowie § 10 Abs 3 Z 1 BVergG 2018) näher befasst.
Entscheidung des EuGH in der Rs C-429/19
Gegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens war ein Vertrag zwischen dem Abfallzweckverband Rhein-Mosel-Eifel (Zweckverband) und dem Landkreis Neuwied (Kreis). Vertraglich hatte sich der Kreis zur Behandlung von 20% der im Gebiet des Zweckverbandes anfallenden gemischten Siedlungsabfälle verpflichtet; die nachfolgende Entsorgung der Abfälle blieb Aufgabe des Zweckverbandes. Die übrigen 80% des im Gebiet des Zweckverbandes anfallenden gemischten Siedlungsabfälle wurden von privaten Anbietern behandelt und entsorgt. Zusätzlich verpflichtete sich der Zweckverband eine gewisse Menge mineralischer Abfälle, die im Rahmen der hoheitlichen Beseitigungspflicht des Kreises anfallen, zu übernehmen. Entgeltseitig war eine bloße Kostenübernahme vorgesehen.
Bei Beantwortung der Frage, ob es sich bei diesem Vertrag um eine ausschreibungsfrei zulässige öffentlich-öffentliche Kooperation handelt, setzt sich der EuGH mit dem Kriterium der „Zusammenarbeit“ auseinander. Zunächst erklärt es der Gerichtshof für „unbeachtlich“, dass Art 12 Abs 4 VergabeRL – anders als noch Art 11 Abs 4 einer Entwurfsfassung dazu (KOM [2011] 896 endgültig) – nicht mehr auf das Erfordernis einer „echten“ Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern verweist. Man könne dem Unionsgesetzgeber nicht unterstellen, dass er ein System einführen wollte, das nicht auf einer echten Zusammenarbeit beruht oder das die praktische Wirksamkeit der horizontalen Zusammenarbeit öffentlicher Auftraggeber außer Acht lässt; das Erfordernis einer „echten“ Zusammenarbeit ergibt sich daher nach Ansicht des EuGH aus ErwGr 33 zur VergabeRL 2014, demzufolge eine Zusammenarbeit „auf einem kooperativen Konzept“ beruhen sollte (Rz 29). Jedenfalls müsse das Zusammenwirken aller Parteien einer Kooperationsvereinbarung unbedingt notwendig sein; es liege keine notwendige „echte Zusammenarbeit“ vor, wenn sich ein Vertragspartner bloß auf die Zahlung eines Entgeltes (Kostenerstattung) beschränkt. Diesfalls würde sich der Vertrag nicht von einem „öffentlichen Auftrag“ unterscheiden (Rz 30).
Zusätzlich weist der EuGH darauf hin, dass der Abschluss einer Kooperationsvereinbarung „das Ergebnis einer Initiative der Vertragsparteien zur Zusammenarbeit“ sein muss (Rz 33). Die Ausarbeitung einer Kooperationsvereinbarung setzt demnach voraus, dass die beteiligten öffentlichen Auftraggeber gemeinsam ihren Bedarf und die Lösungen dafür definieren; notwendig ist eine gemeinsame Strategie der Partner und eine Bündelung von Anstrengungen öffentlicher Auftraggeber zur Erbringung von öffentlichen Dienstleistungen (Rz 34).
Bei Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Vertrages kommt der Gerichtshof sodann zu dem Ergebnis, dass allenfalls die Bereitschaft zur Übernahme mineralischer Abfälle durch den Zweckverband zur Entwicklung einer Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien hätte führen können. Im Verfahren hatte sich diese Vertragsbestimmung jedoch als gegenstandslos erwiesen (Rz 35). Zusätzlich weist der Gerichtshof darauf hin, dass nicht ersichtlich sei, dass der in Rede stehende Vertrag „das Ergebnis einer Initiative des Zweckverbandes und des Kreises“ zur Zusammenarbeit ist (Rz 36). Auch die Verpflichtung des Zweckverbandes, die vorbehandelten Abfälle wieder zurück zu nehmen, bewirke keine „echte Zusammenarbeit“ zwischen den Vertragsparteien (Rz 37). Im Ergebnis verneint der EuGH daher das Vorliegen einer ausschreibungsfrei zulässigen öffentlich-öffentlichen Kooperation.
Bewertung
Mit der vorliegenden Entscheidung schiebt der EuGH der zwischenzeitig sehr extensiven Handhabung des Instituts der öffentlich-öffentlichen Kooperation wieder einen Riegel vor. Insbesondere die Notwendigkeit der gemeinsamen Bedarfserhebung und Lösungsfindung sowie die Betonung der „gemeinsamen Strategie“, auf der ausschreibungsfrei zulässige Kooperationen nach dieser Judikatur des EuGH beruhen müssen, werden in Zukunft wieder einen restriktive(re)n Einsatz des Instruments der öffentlich-öffentlichen Kooperationen bewirken müssen. Nicht nur hat der EuGH eine Auftragserteilung gegen Entgelt (Kostenersatz) ausdrücklich für unzulässig erklärt, sondern auch bloß wechselseitige Auftragserteilungen, die in der Vergangenheit öfters als „Kooperationen“ bezeichnet und ausschreibungsfrei vereinbart wurden. Solche Verträge werden damit in Hinkunft nicht mehr so einfach dem Anwendungsbereich des Vergaberechts entzogen werden können.
Die rasante Entwicklung der Technik macht es immer wichtiger, Geschäftsprozesse elektronisch abwickeln zu können. Gründe dafür sind vor allem Effizienz und Zeitersparnis. Dies trifft natürlich auch auf Vergabeverfahren zu, in denen mittlerweile der gesamte Verfahrensakt elektronisch erfasst und abgebildet werden kann. Der Umstieg von papiergebundenen Verfahren auf die eVergabe bringt viele Vorteile mit sich, von denen sowohl die Auftraggeber als auch die Unternehmer profitieren.
Vorteile für Unternehmer
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Mehr Rechtssicherheit
Durch die elektronische Angebotsabgabe vermeiden Bieter bestimmte formale Fehler. So kann beispielsweise vermieden werden, dass das Angebot auf dem Postweg verloren geht und nicht mehr innerhalb der Angebotsfrist den Empfänger erreicht. -
Transparente und effiziente Ausschreibungssuche
Es ist nicht mehr notwendig, in verschiedenen gedruckten Amtsblättern nach Ausschreibungen zu suchen. Stattdessen bieten viele eVergabe-Portale, wie z.B. auftrag.at, die Möglichkeit, sich interessante Aufträge täglich via E-Mail automatisch zusenden zu lassen. Des Weiteren bietet auftrag.at Zugang zu allen nationalen und europaweiten Ausschreibungen. Europaweite Ausschreibungen sind auch auf der Website der Europäischen Union auffindbar. -
Schneller arbeiten
Unternehmer können über eVergabe-Plattformen elektronisch und direkt, aber trotzdem gemäß den gesetzlichen Bestimmungen anonym, mit dem Auftraggeber kommunizieren. Eine solche Kommunikationsmöglichkeit ist insbesondere dann notwendig, wenn Unternehmer Rückfragen an den Auftraggeber haben aber auch umgekehrt, wenn der Auftraggeber beispielsweise die Ausschreibungsunterlagen ändert und dies kommunizieren möchte. Über eine eVergabe-Plattform werden registrierte Unternehmer zugleich automatisch über Änderungen informiert und können diese sofort in ihrer Angebotserstellung berücksichtigen. -
Fairness und Gleichbehandlung
Die eVergabe macht es möglich, das gesamte Verfahren von der Bekanntmachung bis zum Zuschlag zu dokumentieren. Es ist zu jedem Zeitpunkt nachvollziehbar, wer, wann und was versendet, bereitstellt bzw. ändert. Dies ist ein wichtiger Eckpfeiler, um sicherzustellen, dass alle Unternehmer über den gleichen Informationsstand verfügen und so Transparenz und Gleichbehandlung gewährleistet sind.
Vorteile für Auftraggeber
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Rechtssicherheit erhöhen
Viele Anbieter von eVergabe-Portalen, wie z.B. lieferanzeiger.at, verpflichten sich dem Ziel, in ihren Systemen immer den aktuellen gesetzlichen Stand zu entsprechen. Durch regelmäßige Systemupdates bleiben die Plattformen stets auf der gesetzlichen Aktualität. Öffentliche Auftraggeber erhalten somit durch die technische Unterstützung von eVergabe-Portalen noch mehr Sicherheit, ihre Vergabeverfahren rechtskonform abzuwickeln. -
Ausschreibung einfacher veröffentlichen
Die elektronische Publikation von Bekanntmachungen und Ausschreibungsunterlagen ist ein an sich komplexer Vorgang, der aber mit Hilfe von eVergabe-Portalen unkompliziert, mittels einer Schritt-für-Schritt Begleitung, erfolgen kann. Außerdem werden Bekanntmachungen auf Wunsch automatisch an andere Veröffentlichungsstellen, z.B. an das Amtsblatt der Europäischen Union, weitergeleitet. So erfolgt die rechtskonforme Ausschreibung über ein eVergabe-Portal, mit nur wenigen Klicks. -
Zuverlässige Prozesse
Die elektronische Kommunikation zwischen Auftraggeber und deren potenziellen Bietern ist eine wichtige Grundlage für ein faires und rechtskonformes Verfahren. Vergabe-Plattformen unterstützen diese Kommunikation in vielerlei Hinsicht. Beispielsweise werden alle Unternehmer, die sich für ein bestimmtes Verfahren interessieren und dafür auch registrieren, automatisch über eine Änderung der Ausschreibungsunterlagen benachrichtigt. Des Weiteren ist es essenziell, die Beantwortung von Bieterfragen, mit allen Verfahrensteilnehmern einfach und schnell zu teilen. Durch diese Unterstützung entfallen parallel geführte Kommunikationswege, da alles ausgehend von einer Plattform rechtskonform abgewickelt und dokumentiert werden kann. -
Kosten und Zeit sparen
Mit der eVergabe sparen Auftraggeber Zeit und Geld, da unter anderem das Ausdrucken und der Versand von Ausschreibungsunterlagen entfallen. Das gesamte Verfahren wird elektronisch abgebildet, abgewickelt und schlussendlich dokumentiert, was wesentlich zu einer guten Nachvollziehbarkeit des Verfahrensablaufes beiträgt.
Gibt es auch Nachteile?
Solange Auftraggeber und Unternehmer bereit sind, neue Arbeitswesen zu erlernen, ist die eVergabe in vielfacher Hinsicht von Vorteil. Lediglich kann das Ungewohnte eine große Herausforderung sein. Der Aufwand für den Um- bzw. Einstieg in die eVergabe hält sich allerdings in Grenzen, insbesondere wenn kompetente eVergabe-Portale ihren Usern die bestmögliche Unterstützung für alle offenen Fragen bieten.
Tipps: Wenn Sie selten Angebote abgeben, können Sie Ihre elektronische Signatur einige Tage vor Abgabe des Angebotes auf einigen eVergabe-Portalen, wie z.B. auftrag.at, testen. Reichen Sie zudem Ihr Angebot rechtzeitig vor Ende der Angebotsfrist ein (idealerweise am Vortag), um auf allfällige technische Schwierigkeiten noch reagieren zu können.
…der Auftraggeber den Zuschlag ohne Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers erteilte. Der Auftragnehmer wurde im Jahr nach der Zuschlagserteilung insolvent. Der Subunternehmer des Auftragnehmers blieb auf einer Werklohnforderung von ca 140.000,- sitzen. Der OGH entschied, dass der Auftraggeber wegen allfälliger Verstöße gegen das BVergG nicht gegenüber dem Subunternehmer des Auftragnehmers haftet.
Ausgangsverhalten
Ein öffentlicher Auftraggeber beauftragte nach Durchführung eines Vergabeverfahrens ein Bauunternehmen als Generalunternehmerin mit einem Hallenzubau zu einem bereits bestehenden Abfallwirtschaftszentrum. Die Generalunternehmerin beauftragte ihrerseits eine Subunternehmerin mit der Vornahme diverser Baumeisterarbeiten.
Ein Jahr darauf wurde über das Vermögen der Generalunternehmerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Subunternehmerin meldete eine offene Werklohnforderung von 141.166 EUR an und verlangte Schadenersatz vom Auftraggeber.
Sie war der Meinung, der öffentliche Auftraggeber habe es im Rahmen des Vergabeverfahrens unterlassen, vor Zuschlagserteilung an die Generalunternehmerin deren wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit zu überprüfen. Die Generalunternehmerin sei bereits bei Auftragserteilung zahlungsunfähig und deshalb auszuscheiden gewesen. Aus diesem Grund hafte der öffentliche Auftraggeber für den Zahlungsausfall der insolventen Generalunternehmerin.
Entscheidung
Zentrale Frage des Urteils war, ob die Subunternehmerin vom Schutzzweck der BVergG-Bestimmungen zur Eignungsprüfung erfasst ist. Nur dann könnte sie im Falle eines Verstoßes gegen das BVergG auch Schadenersatz fordern.
Der OGH führte dazu aus, dass sich die Vergabevorschriften zunächst an den Auftraggeber richten, aber vor allem dem Schutz der Bieter und Bewerber vor unlauterer Vorgangsweise bei der Vergabe dienen. Am Vergabeverfahren nicht beteiligten Personen stehen deshalb keine Schadenersatzansprüche offen.
Nachdem die Subunternehmerin nicht selbst als Bieterin in das Vergabeverfahren einbezogen war, ist sie nach Ansicht des Gerichtshofs nicht vom Schutzzweck umfasst. Die Verhinderung von Forderungsausfällen von Subunternehmern sei auch nicht Ziel der Eignungsprüfung des BVergG.
Fazit / Tipp
Subunternehmer sind vom Schutzzweck der BVergG- Bestimmungen zur Eignungsprüfung nicht erfasst und können deshalb auch keine Schadenersatzforderungen gegen den öffentlichen Auftraggeber stellen.
Als Subunternehmer sollten Sie deshalb vor dem Abschluss jedes Vertrags mit einem Bieter/Auftragnehmer dessen Bonität selbst hinterfragen. Tun Sie dies nicht und wird der Auftragnehmer insolvent, besteht keine Haftung des öffentlichen Auftraggebers.
Verzögerungen in der Lieferkette, Quarantänevorschriften und andere Einschränkungen führen dazu, dass Leistungsfristen aktuell nicht eingehalten werden (können). Besonders brisant wird es, wenn der Leistungsverzug Vertragsstrafen auslöst. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert, dabei aber Spezifika des Vergaberechts nicht berücksichtigt.
Ausgangslage
Häufig sind in den Vertragsbestimmungen öffentlicher Aufträge Vertragsstrafen (Konventionalstrafen) für den Fall des Leistungsverzugs durch den Auftragnehmer vorgesehen. Mitunter werden Vertragsstrafen verschuldensunabhängig festgelegt.
Während der COVID19-Pandemie kam es zu zahlreichen Einschränkungen des Wirtschaftslebens, welche die rechtzeitige Leistung faktisch unmöglich machten (und machen). Regelmäßig sind etwa Auftragnehmer selbst auf ihre Zulieferer im Ausland angewiesen und können bei Nichteinlangen von deren Zulieferteilen das Produkt nicht fertigstellen. Genauso kann es passieren, dass das Bauwerk in einer unter Quarantäne gestellten Gemeinde zu errichten ist – oder ein Mitarbeiter des Unternehmens erkrankt an CODIV19 und ein Großteil der Arbeitskräfte dürfen ihren Dienst vorläufig nicht am Arbeitsplatz erbringen.
Wie ist damit umzugehen, dass Auftragnehmer unverschuldet in Leistungsverzug geraten? Und wie kann in Vergabeverfahren auf diesen Umstand reagiert werden?
COVID19-Gesetzespaket
Der Gesetzgeber reagierte im Rahmen des 4. COVID19-Gesetzespaketes (in Kraft getreten am 05.04.2020) auf den Fall, dass dem Schuldner die Erbringung seiner Leistung wegen der durch die COVID19-Pandemie verursachten Beschränkungen des Erwerbslebens verunmöglicht wird. Konkret müssen gemäß § 4 des 2. COVID19-Justiz-Begleitgesetzes bei Verträgen, die vor dem 01.04.2020 eingegangen wurden, Vertragsstrafen nicht gezahlt werden, wenn der Leistungsverzug durch die COVID19-Pandemie verursacht wurde. Die Regelung soll damit vor Vertragsklauseln über verschuldensunabhängige Vertragsstrafen schützen, auf die sich die Vertragsparteien vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie geeinigt hatten. Verschuldensunabhängige Vertragsstrafen finden sich auch in der Vergabepraxis zuweilen in den Vertragsmustern oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen von öffentlichen Auftraggebern.
Zivilrechtliches Detail am Rande: Die Gesetzesformulierung („… ist er nicht verpflichtet, eine vereinbarte Konventionalstrafe … zu zahlen“) lässt auf eine „Naturalobligation“ schließen. Das bedeutet, die Vertragsstrafe kann zwar nicht zwangsweise durchgesetzt werden. Bezahlt aber der Auftragnehmer die Vertragsstrafe, kann er sie nicht wieder zurückverlangen.
Vertragsverhältnisse, die ab dem 01.04.2020 eingegangen werden, sind von diesem Privileg nicht erfasst, weil hier die COVID19-Pandemie bereits bekannt war und die Vertragsparteien diese im Vertrag berücksichtigen hätten können.
Auswirkungen
Bei bis Ende März geschlossenen Verträgen ist die Gesetzeslage klar: Vertragsstrafen müssen nicht bezahlt werden. Das gilt auch für Zuschläge auf Basis des BVergG 2018, die vor dem 01.04.2020 erteilt wurden.
Problematisch wird es, wenn Bieter im Vergabeverfahren ein verbindliches Angebot bereits vor dem 01.04.2020 abgegeben haben, dieses Angebot aber erst ab dem 01.04.2020 vom Auftraggeber angenommen wird bzw. wurde. Hier greift nämlich der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung aus dem COVID19-Gesetz nicht (abgestellt wird drauf, wann das „Vertragsverhältnis eingegangen wird“). Das ist für den Auftragnehmer jedenfalls sehr nachteilig, wenn die COVID19-Pandemie zum Zeitpunkt der Angebotslegung nicht vorhersehbar war und er wegen der COVID19-Einschränkungen eine Vertragsstrafe leisten muss, zu der er im Extremfall wirtschaftlich nicht einmal mehr in der Lage ist. Aber auch für den Auftraggeber kann es unangenehm sein, die Vertragsstrafe einzufordern (zumal den handelnden Personen beim AG treuwidriges Verhalten vorgeworfen werden könnte, wenn sie die zustehende Vertragsstrafe wissentlich nicht geltend machen – vgl dazu unten). Die Vertragsstrafe ist nämlich nicht geeignet, den Auftragnehmer zur Einhaltung der Leistungsfristen zu veranlassen aber verschlechtert massiv das Verhältnis zum Auftragnehmer bzw kann im Extremfall dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit endgültig zerstören.
Wie Auftraggeber und Auftragnehmer mit dieser Situation umgehen sollten
Läuft das Vergabeverfahren noch, kommt es darauf an, in welchem Stadium sich das Vergabeverfahren befindet und welche Verfahrensart gewählt wurde (wobei hier zur Vereinfachung nur auf die beiden gängigsten Verfahrensarten eingegangen wird):
Ist die Angebotsfrist noch nicht abgelaufen, kann der Auftraggeber in der Ausschreibung die Bedingungen für Vertragsstrafen anpassen und erforderlichenfalls die Angebotsfrist verlängern. Für die Formulierung kann der Gesetzestext als Anhaltspunkt genommen werden (zB „Gerät der Schuldner im Zeitraum zwischen Vertragsabschluss und [Angabe eines sinnvollen Datums je nach Auftragsinhalt – das COVID19-Gesetz stellt auf den 30.06.2022 ab] in Verzug, weil er als Folge der COVID19-Pandemie entweder in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist oder die Leistung wegen der Beschränkungen des Erwerbslebens nicht erbringen kann, ist er nicht verpflichtet, die vereinbarte Konventionalstrafe zu zahlen.“). Eine derartige Anpassung übersteigt uE nicht das zulässige Ausmaß von Berichtigungen (VwGH 12.09.2013, 2010/04/0119). Auch den Bietern steht es frei, die Änderung während der Angebotsfrist im Rahmen von Fragenstellung anzuregen und erforderlichenfalls bis zum Ende der Frist ihr Angebot zurückzuziehen.
Ist die Angebotsfrist bereits abgelaufen,
- gilt im offenen Verfahren das „Verhandlungsverbot“. Das Angebot kann nicht mehr geändert werden und der Auftraggeber steht vor der Wahl, dieses anzunehmen (und damit die Konventionalstrafe in Geltung zu setzen) oder das Vergabeverfahren zu widerrufen.
- Im Verhandlungsverfahren besteht mehr Spielraum. Der Auftraggeber hat im Einzelfall zu beurteilen, ob die Bedingungen für Vertragsstrafen im Rahmen weiterer Angebots- oder Verhandlungsrunden noch abgeändert werden können.
Ist das Vergabeverfahren bereits abgeschlossen, wurde also der Zuschlag ab dem 01.04.2020 einem vor der COVID19-Pandemie gelegten Angebot erteilt, greift der gesetzliche Ausschluss von Konventionalstrafen wie oben dargestellt nicht. Auftraggeber können erforderlichenfalls die Lieferfristen entsprechend dem Pandemieverlauf erstrecken. Sind bereits erste Vertragsstrafen fällig, ist öffentlichen Auftraggebern davon abzuraten, auf deren Einforderung ohne weiteres zu verzichten (siehe aber unten). Der wissentliche Verzicht auf eine geldwerte Forderung des Auftraggebers könnte nämlich für die handelnden Personen mit Compliance-Folgen verbunden sein.
Wir empfehlen daher, im konkreten Einzelfall die etwaige Sittenwidrigkeit des Berufens auf eine Vertragsstrafe zu prüfen. Da der Gesetzgeber beim Stichtag „Vertragsabschluss ab dem 01.04.2020“ offenbar die Besonderheiten von öffentlichen Auftragsvergaben nicht berücksichtigt hatte, ist uE auch eine analoge Anwendbarkeit des § 4 des 2. COVID19-Justiz-Begleitgesetzes auf vor der Pandemie abgegebene Willenserklärungen mit langer Bindungswirkung als Basis für den Ausschluss von Konventionalstrafen denk- und argumentierbar. Wichtig ist in diesen Fällen die Dokumentation der Gründe für eine allfällige Reduktion oder den Ausschluss der Vertragsstrafe.
Fazit
Mit dem 2. COVID19-Justiz-Begleitgesetz wollte der Gesetzgeber die negativen Folgen allfälliger, als Folge der COVID19-Einschränkungen schlagend werdender Konventionalstrafen beseitigen. Die Regelung gilt für alle Verträge, die vor dem 01.04.2020 abgeschlossen wurden.
Der Gesetzgeber berücksichtigt mit dieser Stichtagslösung offenkundig nicht die spezielle Konstellation der öffentlichen Auftragsvergaben, wo Angebote mit langer Bindungswirkung zu legen sind. Im vergaberechtlichen Kontext bleiben damit zahlreiche Konstellationen vom Privileg nicht erfasst, obwohl der Auftragnehmer genauso schützenswert wäre. Konkret geht es um verbindliche Angebote, die bereits vor dem Ausbruch der COVID19-Pandemie abgegeben wurden und sich auf Ausschreibungen mit verschuldensunabhängigen Vertragsstrafen beziehen. Hier kann der Auftraggeber je nachdem, welche Verfahrensart er wählt und wie weit das Vergabeverfahren bereits fortgeschritten ist, noch sanierend eingreifen. Wurde der Vertrag bereits abgeschlossen, ist rechtlich wohl überlegtes und sorgsam zu dokumentierendes Handeln gefragt.