Unter den vielen Formen der Auftragsvergabe sind die Direktvergabe und das Verhandlungsverfahren bevorzugte Verfahren der Auftraggeber. Der Vorteil von Verhandlungsverfahren ist, dass über die zu erbringende Leistung und den Preis verhandelt werden darf. Dafür kann es nur in bestimmten Ausnahmefällen durchgeführt werden.
Wie laufen Verhandlungsverfahren ab?
Bei Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung fordern Auftraggeber von vornherein nur eine beschränkte Anzahl von Unternehmern auf, Angebote abzugeben. Dabei müssen grundsätzlich mindestens drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Bei einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung wird eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen zu Abgabe von Teilnahmeanträgen eingeladen. Davon werden dann geeignete Bewerber ausgewählt, die Auftraggeber dazu auffordern, Angebote zu legen.
In den Ausschreibungsunterlagen legen Auftraggeber bestimmte Mindestanforderungen fest, die ein Angebot auf jeden Fall erfüllen muss. Diese und die Zuschlagskriterien sind nicht verhandelbar und dürfen sich während des Verhandlungsverfahrens auch nicht ändern.
Ansonsten dürfen Angebote von den Ausschreibungsunterlagen abweichen. Nachdem die Erstangebote abgegeben wurden, wird über Leistung und Preis (z.B.: Qualität, Mengen, Geschäftsklauseln etc.) verhandelt. Typischerweise werden nach der ersten Runde Folgeangebote gelegt, über die wieder verhandelt wird. Es können beliebig viele Verhandlungsrunden stattfinden. Auftraggeber müssen aber mindestens über die Erstangebote verhandeln (Ausnahme: Auftraggeber geben in der Bekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung ausdrücklich bekannt, dass sich sich eine Vergabe aufgrund des Erstangebots ohne Verhandlung vorbehalten).
Nachdem die Verhandlungen abgeschlossen wurden, informiert Auftraggeber die verbliebenen Bieter darüber, dass sie einen Abschluss der Verhandlungen beabsichtigen. Dabei erhalten alle Bieter eine gleichlautende Frist, um ein endgültiges Angebot abzugeben. Über dieses Letztangebot darf dann nicht mehr verhandelt werden. Von diesen endgültigen Angeboten wählen Auftraggeber anhand der Zuschlagskriterien den Bestbieter aus.
Mit wem wird verhandelt?
Auftraggeber können anhand der Zuschlagskriterien eine Vorauswahl unter den Bietern treffen und die Anzahl der Bieter, mit denen sie verhandeln, verringern (Shortlist-Verfahren). Sie können sich aber auch dafür entscheiden, mit allen Bietern alle Verhandlungsrunden zu führen. Das muss in der Ausschreibung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung bekannt gegeben werden. Dabei muss immer ein echter Wettbewerb gewährleistet sein.
Im Unterschwellenbereich können Auftraggeber sich auch dafür entscheiden, nur mit dem Bestbieter Verhandlungen zu führen. Das müssen sie in den Ausschreibungsunterlagen vorsehen. Erst wenn diese Verhandlungen keinen Erfolg zeigen, verhandeln sie dann mit den anderen Bietern.
Welche Rechte haben Bieter? Gleichbehandlung, Information und Geheimhaltung
Alle Bieter müssen gleichbehandelt werden. Auftraggeber dürfen keine Informationen in diskriminierender Weise weitergeben, sodass bestimmte Bieter begünstigt werden können. Sie dürfen auch keine vertraulichen Informationen ohne konkrete Zustimmung an die anderen Unternehmen weitergeben.
Alle Bieter dürfen von Auftraggebern verlangen, spätestens innerhalb von 15 Tagen über den Verlauf und den Fortschritt der Verhandlungen informiert zu werden.
Außerdem müssen bis zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung Anzahl und Namen der zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmer geheim gehalten werden.
Je nachdem wie hoch der geschätzte Auftragswert ist, wird das Vergabeverfahren dem Oberschwellenbereich oder dem Unterschwellenbereich zugeordnet. Der Unterschwellenbereich sieht einige Erleichterungen vor, zum Beispiel die Direktvergabe. Um festzulegen, ab welchem Auftragswert ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich liegt, bestimmt die Europäische Kommission sogenannte Schwellenwerte. Wenn der geschätzte Auftragswert diesen Schwellenwert erreicht, liegt das Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich und die Vergabe muss EU-weit bekannt gemacht werden. Zusätzlich gibt es österreichische Werte, bis zu denen im Unterschwellenbereich vereinfachte Verfahren durchgeführt werden dürfen.
Höhe der EU-Schwellenwerte seit 1.1.2022
Die Europäische Kommission hat ab 1.1.2022 folgende Schwellenwerte festgelegt:
- 215.000 Euro (exkl. USt) für Liefer- und Dienstleistungsaufträge (im Sektorenbereich 431.000 Euro und für zentrale Beschaffungsstellen 140.000 Euro)
- 5.382.000 Euro (exkl. USt) für Bauaufträge
Sie beziehen sich auf die Kostenschätzung des Auftraggebers exklusive Umsatzsteuer. Wenn also bei einem Dienstleistungsauftrag der geschätzte Auftragswert über 215.000 Euro liegt, liegt dieser im Oberschwellenbereich und muss EU-weit ausgeschrieben werden. Außerdem sind die europäische Vergaberegeln zu beachten.
Wie werden EU-Schwellenwerte bestimmt?
Die Europäische Kommission erlässt in der Regel alle zwei Jahre eine Verordnung, in der sie die EU-Schwellenwerte für alle Mitgliedstaaten vorgibt. Dabei orientiert sie sich an den Werten des WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA).
Das GPA ist ein internationales Abkommen, das den Zugang zu öffentlichen Aufträgen regelt und den Beschaffungsmarkt liberalisieren soll. Die Vertragsstaaten haben sich dazu verpflichtet, bei bestimmten Ausschreibungen die Teilnahme von Unternehmen anderer Vertragsstaaten zu ermöglichen. Dabei haben sie genau festgelegt, welche Auftragsarten ab welchem Schwellenwert ausländischen Unternehmen offenstehen. Bei Erreichen des jeweiligen Schwellenwertes kann ein österreichisches Unternehmen zum Beispiel an einer öffentlichen Ausschreibung in der Schweiz teilnehmen.
Innerstaatliche Schwellenwerte
Im Unterschwellenbereich legt die Justizministerin innerstaatliche Wert, bis zu denen es Erleichterungen gibt. So dürfen z.B. Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge mit einem geschätzten Auftragswert von bis zu 100.000 Euro (exkl. USt) direkt vergeben werden. Damit ein Bauauftrag als offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt kann, darf der geschätzte Auftragswert maximal 1 Million Euro (exkl. USt) betragen. Diese Werte gelten noch bis 31.12.2022.
Wenn Auftragnehmer den ursprünglichen Auftragnehmer ersetzen sollen, handelt es sich in der Regel um eine Änderung einer wesentlichen Vertragsbestimmung. Das hat zur Folge, dass der Auftrag neu ausgeschrieben werden muss.
Eine Ausnahme dieser Regel ist der Auftragnehmerwechsel im Zuge einer Unternehmensumstrukturierung (z.B. Übernahme, Fusion, Erwerb, Insolvenz). Bei solchen strukturellen Änderungen muss ausnahmsweise kein neues Vergabeverfahren durchgeführt werden, wenn:
- ein Wirtschaftsteilnehmer ganz oder teilweise an die Stelle des ursprünglichen Auftragnehmers tritt und
- er die ursprünglich festgelegten qualitativen Eignungskriterien erfüllt.
- Das darf keine weiteren wesentlichen Änderungen des Auftrags zur Folge haben und
- nicht dazu dienen, das EU-Vergaberechts zu umgehen.
Bei einem Insolvenzverfahren treten Auftragnehmer auch dann an die Stelle der ursprünglichen Auftragnehmer, wenn sie nur jene Rechte und Pflichten übernehmen, die sich aus einer Rahmenvereinbarung ergeben. Sind alle anderen Voraussetzungen ebenfalls erfüllt, muss kein neues Vergabeverfahren durchgeführt werden. Das hat der Europäische Gerichtshof im Februar 2022 im Zuge eines schwedischen Vorabentscheidungsersuchens entschieden.
Die Entscheidung des EuGH: C-461/20 – Advania Sverige und Kammarkollegiet
In Schweden hatte ein öffentlicher Auftraggeber vier Rahmenvereinbarungen über IT-Hardware mit einem Unternehmen namens Misco abgeschlossen. Misco wurde danach für insolvent erklärt und der Konkursverwalter vereinbarte mit einem anderen Unternehmen, Advania, dass die vier Rahmenvereinbarungen auf Advania übergehen würden. Dabei übernahm Advania nur die Rechte und Pflichten der Rahmenvereinbarung, nicht aber die entsprechenden Geschäftsbereiche oder weiteres Vermögen des ursprünglichen Auftragnehmers.
Es stellte sich also die Frage, ob das ausreicht, um "ganz oder teilweise" an die Stelle des ursprünglichen Auftragnehmers zu treten. Der EuGH bejahte diese Frage und erleichtert so den vergabefreien Auftragnehmerwechsel.
Haben Auftraggeber regelmäßig Bedarf an gleichartigen Leistungen, lohnt es sich, diesen in einer Ausschreibung zu bündeln. Wie auch sonst im Wirtschaftsleben kann, das durch einen Rahmenvertrag erfolgen. Im Vergaberecht gibt es aber noch eine weitere Möglichkeit, die dem Rahmenvertrag zwar ähnelt, aber anders funktioniert: Die Rahmenvereinbarung.
Rahmenvereinbarungen sind Vereinbarungen ohne Abnahmeverpflichtung zwischen einem oder mehreren Auftraggebern und einem oder mehreren Unternehmen. Die Rahmenvereinbarung ist somit das vergaberechtliche Grundgerüst, auf dessen Basis die Auftraggeber dann Aufträge erteilen können. Auftraggeber können während der Laufzeit (grundsätzlich maximal vier Jahre) bei seinen Rahmenvereinbarungspartnern Leistungen zu den vorgesehenen Preisen und Mengen abrufen. Die Rahmenvereinbarung kann im Unter- und Oberschwellenbereich sowie für jede Auftragsart verwendet werden.
Wann ist eine Rahmenvereinbarung sinnvoll?
Rahmenvereinbarungen eignen sich insbesondere für die Vergabe von Aufträgen, die auf gleichartige, regelmäßige und wiederkehrende Leistungen gerichtet sind (z.B. Lieferverträge für Büromaterialien, Dienstleistungsverträge für witterungsabhängige Schneeräumung) sowie für Produkte oder Dienstleistungen mit hoher Preisdynamik. Durch die Bündelung der Nachfrage lassen sich in der Regel Mengenrabatte und – durch den Entfall einer Vielzahl einzelner Vergabeverfahren – Kostenreduktionen erzielen.
Rahmenvereinbarungen bringen darüber hinaus eine gewisse Beschaffungssicherheit für Auftraggeber mit sich: die Rahmenvereinbarungspartner sind nämlich bei einem Abruf zur Leistungserbringung verpflichtet. Gleichzeitig bleiben Auftraggeber sehr flexibel: sie sind weder dazu verpflichtet, überhaupt Leistungen aus der Rahmenvereinbarung abzurufen, noch, diese zu einem bestimmten Zeitpunkt während der Laufzeit der Rahmenvereinbarung abzurufen. Auftraggeber sind sogar berechtigt, (rahmen-)vereinbarungsgegenständliche Leistungen an andere Unternehmen – gegebenenfalls nach Durchführung eines Vergabeverfahrens – zu vergeben (sogenannte „Parallelbeschaffungen“).
Auftraggeber müssen in den Ausschreibungsunterlagen immer das maximale Abrufvolumen für die künftigen Aufträge angeben, Bestimmungen wie „der normale Bedarf“ sind in diesem Zusammenhang zu unpräzise. Sobald die „abrufbare Höchstmenge“ erreicht ist, können keine Leistungen mehr aus der Rahmenvereinbarung abgerufen werden.
Wie kommt eine Rahmenvereinbarung zustande und wer ist daran beteiligt?
Voraussetzung für den Abschluss einer Rahmenvereinbarung ist, dass im Vorfeld ein Vergabeverfahren (konkret: ein offenes Verfahren, ein nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung oder ein Verhandlungsverfahren) durchgeführt wurde. Die Rahmenvereinbarung wird dabei mit dem oder den am besten bewerteten Bieter(n) abgeschlossen.
Wird die Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen abgeschlossen, sind zumindest drei Unternehmen zu beteiligen. Aus rechtlicher Sicht wird in diesem Fall nicht nur eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen, sondern es wird mit jedem Rahmenvereinbarungspartner eine inhaltlich idente Rahmenvereinbarung abgeschlossen. Die Rahmenvereinbarungspartner bleiben dadurch untereinander anonym und können sich bei künftigen Abrufen nicht absprechen (zB in Bezug auf die Angebotspreise).
Auch auf Auftraggeberseite können mehrere Auftraggeber stehen. Sollen aus einer Rahmenvereinbarung nicht nur ein sondern mehrere Auftraggeber Abrufe tätigen dürfen, müssen die einzelnen Auftraggeber so eindeutig in den Ausschreibungsunterlagen bezeichnet werden, dass sie zB anhand des Namens oder unter Bezugnahme auf eine bestimmte Kategorie innerhalb eines klar abgegrenzten geografischen Gebiets identifiziert werden können (Einhaltung des Transparenzgebots für alle abrufberechtigten Auftraggeber).
Wie werden Aufträge auf Basis einer Rahmenvereinbarung vergeben?
Aufträge auf Basis einer Rahmenvereinbarung werden auch oft „Abrufe“ genannt. Jeder Abruf ist aus vergaberechtlicher Sicht ein eigener Auftrag, also ein eigener Leistungsvertrag der unabhängig von den anderen Abrufen zu betrachten ist (somit auch separat gekündigt werden kann).
Abrufe aus einer Rahmenvereinbarung können „unmittelbar“ erfolgen. Hierbei gibt der Auftraggeber die Menge und den Zeitpunkt der abgerufenen Leistungen an und der Rahmenvereinbarungspartner hat zu den Preisen der Rahmenvereinbarung zu leisten (ähnlich wie bei Optionen). Wurde die Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen abgeschlossen, kann der Auftraggeber zwischen den Rahmenvereinbarungspartnern einen Wettbewerb eröffnen (erneuter Aufruf zum Wettbewerb) und dem daraus hervorgehenden Gewinner den Auftrag erteilen.
Gibt es nur einen einzigen Rahmenvereinbarungspartner, kann der Auftraggeber diesen auffordern sein ursprüngliches Angebot zu verbessern, zu vervollständigen oder abzuändern.